Soziale Erhaltungssatzungen in Leipzig
Das Ziel einer Sozialen Erhaltungssatzung besteht darin, die Wohnbevölkerung vor Verdrängungsprozessen zu schützen, die durch aufwendige Modernisierungen in Wohngebäuden verursacht werden. Das folgende Video erläutert, wie Soziale Erhaltungssatzungen zum Erhalt der Wohnbevölkerung beitragen können.
Die Einwohnerzahl in der Stadt Leipzig ist gewachsen - und so steigt auch die Nachfrage nach Wohnraum. Gleichzeitig gibt es in vielen Quartieren noch bauliche Aufwertungspotenziale zum Beispiel durch Leerstand und unsanierte Wohnungen oder eine zweite Modernisierung steht an. So ist in einigen Stadtgebieten der vorhandene Wohnungsmarkt unter Aufwertungsdruck geraten. Die Nachfrage nach Wohnraum ist höher als das Angebot. Die Miet- und Grundstückspreise sind gestiegen. Menschen müssen aus ihrer angestammten Umgebung wegziehen, weil sie sich die hohen Mieten nicht mehr leisten können. Teure bauliche Veränderungen führen dazu, dass bezahlbarer Wohnraum für angestammte Bevölkerungsgruppen in Stadtgebieten knapper wird und sie aus ihrem intakten, gewachsenen Umfeld verdrängt werden.
Soziale Erhaltungssatzungen können für Gebiete und Quartiere zum Einsatz kommen, die ein hohes Aufwertungs- und Verdrängungspotenzial aufweisen und unter starkem Aufwertungsdruck stehen. Hierbei handelt es sich um ein städtebauliches Instrument nach Paragraph 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Baugesetzbuch (BauGB), das darauf abzielt, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in einem Gebiet aus städtebaulichen Gründen zu erhalten. Dadurch können in den betroffenen Stadtgebieten bauliche Maßnahmen unterbunden werden, wenn durch diese eine Verdrängung angestammter Bevölkerungsgruppen befürchtet wird.
Die Einführung Sozialer Erhaltungssatzungen für die Stadt Leipzig wird konzeptionell über Beschlüsse der Ratsversammlung zum Wohnungspolitischen Konzept (WoPoKo) und zum Integrierten Stadtentwicklungskonzept (INSEK) begründet beziehungsweise gefordert. Mit derzeit 8 rechtskräftigen Sozialen Erhaltungsgebieten verfügt die Stadt über ein städtebauliches Instrument, mit dem sie auf den Bestand von bezahlbarem Wohnraum in Leipzig Einfluss nehmen kann.
Aktuelles
Neue Soziale Erhaltungsgebiete
Die seit Juli 2020 geltenden sechs Sozialen Erhaltungsgebiete (Alt-Lindenau, Lindenau, Connewitz, Am Lene-Voigt-Park, Eisenbahnstraße und Eutritzsch) wurden auf Grundlage von Detailuntersuchungen um zwei weitere Gebiete erweitert. Seit dem 03.04.2022 sind Soziale Erhaltungssatzungen für die Gebiete Plagwitz/Kleinzschocher und Leutzsch in Kraft getreten. Für die anderen zwei in 2021 untersuchten Gebiete Neulindenau und Umfeld Paul-Küstner-Straße konnten die Anwendungsvoraussetzungen für ein Soziales Erhaltungsgebiet nicht nachgewiesen werden.
Was regeln Soziale Erhaltungssatzungen?
Vorhandener Wohnraum in Gebieten Sozialer Erhaltungssatzungen darf nicht in einer Weise verändert werden, dass er für die im Gebiet ansässigen Bevölkerungsgruppen nicht mehr geeignet ist. Darum stehen
- Rückbau,
- Nutzungsänderungen und
- Änderungen baulicher Anlagen
unter einem Genehmigungsvorbehalt der Stadt.
Das bedeutet, dass Eigentümer verpflichtet sind, alle diese Bauvorhaben vorab durch die Stadt genehmigen zu lassen. Dazu gehören auch Maßnahmen, die nach sächsischer Bauordnung keiner Baugenehmigung bedürfen. Eine Genehmigungspflicht besteht nicht für Neubauvorhaben.
Zu genehmigen sind sowohl an bewohnten als auch an leerstehenden Wohnungen Veränderungen, die den Bestand, die Größe oder die Ausstattung von Wohnraum verändern. Jeder Genehmigung geht dabei eine Einzelfallbetrachtung voraus.
Eine Soziale Erhaltungssatzung ist ein städtebauliches Instrument und entspricht keinem individuellen Mieterschutz. Es hat nur einen indirekten Einfluss auf die Miethöhe, indem mögliche Mieterhöhungen durch Modernisierungsumlagen begrenzt werden. Mieter/-innen direkt vor Mieterhöhungen oder Verdrängung aus ihren Quartieren schützen, können die Sozialen Erhaltungssatzungen nicht. Ihre Erhaltungswirkung bezieht sich hauptsächlich auf die baulichen Eigenschaften der Wohnungen.
Die Sozialen Erhaltungsgebiete in Leipzig
Die Stadt Leipzig kann nach Paragraph 4 Absatz 1 Sächsische Gemeindeordnung ihre weisungsfreien Angelegenheiten durch Satzungen regeln, wenn ein Gesetz sie hierzu ermächtigt.
Am 17.06.2020 beschloss die Ratsversammlung nach Paragraph 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Baugesetzbuch für folgende sechs Gebiete in Leipzig Soziale Erhaltungssatzungen:
- Alt-Lindenau
- Lindenau
- Am Lene-Voigt Park
- Eisenbahnstraße
- Connewitz
- Eutritzsch
Diese sind seit dem 05.07.2020 rechtsverbindlich.
Am 15.03.2022 wurden durch die Ratsversammlung zwei weitere Soziale Erhaltungssatzungen beschlossen:
- Plagwitz/Kleinzschocher
- Leutzsch
Diese sind seit dem 03.04.2022 rechtsverbindlich.
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Verfahren zur Vorbereitung und zur Umsetzung
Die Vorbereitung und Umsetzung von Sozialen Erhaltungssatzungen gliedert sich in zwei Stufen.
Die Stufe 1 umfasst die erhaltungsrechtliche Ableitung der konkreten Satzungsgebiete. Sie besteht aus einer gesamtstädtischen Voruntersuchung sowie vertiefenden Detailuntersuchungen in durch die Gutachten identifizierten Teilbereichen.
Die Stufe 2 umfasst die Umsetzung des Genehmigungsverfahrens nach erfolgtem Satzungsbeschluss durch die Ratsversammlung und ortsüblicher Bekanntgabe des Beschlusses.
Stufe 1
Voruntersuchung
Für die Festlegung dieser Satzungsgebiete waren in einer ersten Stufe auf Grundlage einer gesamtstädtischen Voruntersuchung im Herbst 2018 potenzielle Gebiete ausgewählt worden (Beschluss der Ratsversammlung vom 24.10.2018).
In der Voruntersuchung erfolgte eine Analyse aller 310 statistischen Bezirke der Stadt Leipzig auf Grundlage von Sekundärstatistiken. Im Ergebnis wurden Stadträume für die mögliche Eignung als soziales Erhaltungsgebiet identifiziert. Zusätzlich wurde der Stadtraum Connewitz in die anschließenden Detailuntersuchungen mit aufgenommen.
Detailuntersuchung
Darauf aufbauende umfangreiche Detailuntersuchungen (Detailscreening) identifizierten und konkretisierten die Gebietsabgrenzungen. Innerhalb dieser Gebiete waren mittels repräsentativer Haushaltsbefragungen und nach gängiger wissenschaftlich-städtebaulicher Bewertung die drei wesentlichen Voraussetzungen ("drei Säulen") für Soziale Erhaltungssatzungen nachgewiesen worden:
- Aufwertungspotenziale aufgrund der vorhandenen Wohnbebauung
- Aufwertungsdruck aufgrund des vorhandenen Wohnungsmarktes
- Verdrängungspotenziale der im Gebiet wohnhaften Bevölkerungsgruppen
Evaluierung und Fortschreibung
Bereits im Beschluss zur Voruntersuchung 2018 wurde festgelegt, dass ab Satzungsbeschluss alle zwei Jahre eine Fortschreibung der gesamtstädtischen Voruntersuchung zum Einsatz von Sozialen Erhaltungssatzungen durchzuführen ist. Für gegebenenfalls neu identifizierte Stadträume werden entsprechende Aufstellungsbeschlüsse für weitere potenzielle Satzungsgebiete vorbereitet und dem Stadtrat vorgelegt. Die nächste gesamtstädtischen Fortschreibung wird im Frühjahr 2023 vorgelegt.
Die Festsetzungen zu den konkreten Sozialen Erhaltungsgebieten sind alle fünf Jahre zu evaluieren.
Stufe 2
Genehmigungsverfahren
Nachdem die Sozialen Erhaltungssatzungen in der ersten Stufe festgelegt und politisch als städtische Satzung beschlossen wurden, mündet dies nun in der Anwendungspraxis in einer zweiten Stufe in einem Genehmigungsverfahren für die Stadtverwaltung beziehungsweise neue Vorgaben für Wohnungseigentümer/-innen und Antragsteller/-innen.
Ab Satzungsbeginn (einen Tag nach der ortsüblichen Bekanntgabe im Amtsblatt am 04.07.2020 bzw. 02.04.2022) bedürfen im Geltungsbereich alle Maßnahmen
- zum Rückbau,
- zur Änderung oder
- zur Nutzungsänderung baulicher Anlagen
per Antrag einer Kontrolle und Abwägung durch die Stadt Leipzig. Diese prüft die Vereinbarkeit der Vorhaben mit den Zielen der Erhaltungssatzungen.
Genehmigungskriterien des Leipziger Wohn- und Ausstattungsstandards
Zur Prüfung der erhaltungsrechtlichen Genehmigungsfähigkeit einzelner Vorhaben werden speziell auf die Situation in der Stadt Leipzig angepasste Genehmigungskriterien angewendet, die sich nach einem zeitgemäßen Ausbaustandard in der Stadt Leipzig richten.
Jede Genehmigung bedarf einer Einzelfallprüfung.
Allgemeines Vorkaufsrecht
Wenn ein bebautes Grundstück im Sozialen Erhaltungsgebiet verkauft werden soll, prüft die Stadt Leipzig (nach Paragraph 24 Absatz 1 Satz 1 Baugesetzbuch), ob sie von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen kann. Kaufinteressenten können die Ausübung des Vorkaufsrechts in Sozialen Erhaltungsgebieten abwenden, wenn sie sich im Rahmen einer Abwendungsvereinbarung nach Vorgabe der Stadt dazu verpflichten, die Satzungsziele einzuhalten. Wird keine Abwendungsvereinbarung abgeschlossen, übt die Stadt das Vorkaufsrecht bei Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen in der Regel zu Gunsten eines Dritten aus. Interessierte Wohnungsmarktakteur/-innen können sich hierzu in einem Pool aufnehmen lassen.