Richard-Wagner-Hain
Der Richard-Wagner-Hain ist heute ein beliebter Ort der Erholung und zahlreicher Freizeitaktivitäten. Die Anlage ist Teil des Landschafts- und Vogelschutzgebietes Leipziger Auwald. Gleichzeitig ist sie ein bedeutendes Zeugnis der Gartenarchitektur des 20. Jahrhunderts und nicht zuletzt der
Bautätigkeit im Nationalsozialismus - dies soll trotz ihres Erholungswertes nicht in Vergessenheit geraten.
Bereits 1990 wurde der Richard-Wagner-Hain als Gartendenkmal unter Denkmalschutz gestellt. Die Stadt Leipzig hat seitdem viele Eigen- und Fördermittel investiert, um die Anlage zu erhalten und instand zu setzen. Sie stellt sich der Verantwortung, ein „unbequemes“ und zugleich intensiv genutztes Denkmal zu besitzen.
Das denkmalpflegerische Ziel ist, die in der Weimarer Republik konzipierte, jedoch im Nationalsozialismus entworfene und gebaute Gartenanlage als Zeitzeugnis zu erhalten. Sie wird im konservatorischen Sinne behandelt. Im westlichen Teil des Richard-Wagner-Hains wurden die Pergola und die Terrassenmauern bereits denkmalgerecht saniert; im Jahr 2022 folgten die große Freitreppe und die Bastionen. Die Sanierungsmaßnahmen der 2020er Jahre wurden mit Mitteln des Bundes, des Freistaates Sachsen sowie der Stadt Leipzig finanziert.
Zur Gesamtanlage
Bereits 1931, in der Zeit der Weimarer Republik, wurde die Idee entwickelt, dem in Leipzig geborenen Komponisten Richard Wagner (1813-1883) auf den „Frankfurter Wiesen“ ein raumgreifendes Denkmal zu setzen. Der ursprüngliche Plan, ein Denkmal von Max Klinger (1857-1920) am Promenadenring in eine Treppenanlage einzubauen, war am Tod des Bildhauers gescheitert.
Die „Frankfurter Wiesen“ waren über die Jahrhunderte Viehweide und jährliches Überflutungsgebiet der Leipziger Gewässer. Eine Jahrhundertflut im Jahr 1909 veranlasste die Stadträte jedoch, den Bau des Elsterbeckens zur Hochwasserregulierung zu beschließen. Das gewaltige Wasserbauwerk entstand von 1913 bis 1925.
Umgehend gab es ehrgeizige Pläne, die neu entstandenen Ufer dicht zu bebauen. Durch die weitsichtige Stadtplanung unter Stadtbaurat Hubert Ritter (1886-1967) konnte das in den 1920er Jahren verhindert werden. Stattdessen sahen die Planungen nun weiträumige Park- und Sportanlagen auf den Frankfurter Wiesen vor. In der Tat hatte sich das Gebiet bereits als Sport- und Erholungsgebiet etabliert. Im Elsterbecken wurde gerudert und gebadet, es gab Bootsanleger und eine große Liegewiese am Ufer, den Leipziger „Lido“.
Unter der Ägide von Oberbürgermeister Dr. Carl Goerdeler (1884-1945) reifte indessen Ende der 1920er Jahre die Idee, am Südteil des Elsterbeckens einen architektonisch gestalteten Uferpark zu bauen und ihn Richard Wagner zu widmen. Der Berliner Gartenarchitekt Gustav Allinger (1891-1974) konnte die Stadtverwaltung davon überzeugen, ihm ohne Wettbewerb den Auftrag für den Entwurf zu übertragen. Die Leipziger Anlage wurde eines seiner Hauptwerke. Zuvor hatte er vor allem Privatgärten, Friedhöfe und große Gartenbauausstellungen entworfen.
Allinger diente sich den Nationalsozialisten an. Als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst, der erzwungenen Alleinvertretung der Gartenarchitekten nach 1933, präsentierte er sich in SA-Uniform und wandte sich gegen Kollegen, die dem NS-Regime als „politisch unzuverlässig“ galten. Nach 1945 konnte er jedoch als Professor in Westberlin und freischaffender Landschaftsarchitekt seine Karriere ungebrochen fortsetzen.
Allinger entwarf zu beiden Seiten des Elsterbeckens eine architektonisch gestaltete Gartenanlage, in der ausgedehnte Freiräume von Stützmauern und exakten Böschungen gefasst waren. Die geradlinigen, strengen Grundformen wurden durch eine üppige Bepflanzung überspielt. Eine Besonderheit war die überaus reiche Ausstattung der Anlage mit Stauden.
Im Südosten wurde an einem erhöht liegenden Punkt eine Gartenhalle gebaut, von der sich eine Aussicht über die Gesamtanlage bot. Eine große Staudenrabatte am Ostufer enthielt über 600 verschiedene Pflanzenarten.
Auf die Umgebung, mit Ausnahme des Elsterbeckens, nahm die Anlage kaum Bezug. Im Gegenteil: Um unliebsame Sichtbeziehungen zu vermeiden, wurde das Gesellschaftshaus des Palmengartens noch vor den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges abgetragen. Dort sollten die Bauten einer „Gutenberg-Reichsausstellung“ entstehen.
Der Richard-Wagner-Hain war, wie auch die seinerzeit angefertigten Modelle vermitteln, aus der dicht bewachsenen Umgebung förmlich herausgestanzt worden. Zum benachbarten Palmengarten gab es kaum vermittelnde Wege.
Anders als die landschaftsarchitektonische Gestaltung wurde die bildhauerische Lösung in einem großen Kunst-Wettbewerb entschieden. Erfolgte die Auslobung des Wettbewerbes noch unter demokratischen Verhältnissen, fand die Entscheidung bereits nach der Machtübertragung an Adolf Hitler statt. Der süddeutsche Bildhauer Emil Hipp (1893-1965) setzte sich gegen mehr als 650 Mitbewerber durch. Er schuf in den folgenden Jahren 19 Reliefs mit Szenen aus Wagners Opern sowie einen marmornen Denkmalblock mit einer Interpretation von Wagners Ideen. Der Zweite Weltkrieg verhinderte die Aufstellung der Skulpturen in Leipzig. Auch nach dem Krieg lehnte es die Stadt ab, die politisch belasteten Werke anzunehmen.
Zum Kriegsende war die Anlage weitgehend unversehrt erhalten und wurde in der DDR-Zeit mit verringerter Pflanzenausstattung weiter gepflegt. An der Ostseite sorgten in den 1950er Jahren Universitätsbauten für eine städtebauliche Fassung und eine Verkleinerung des geplanten Denkmalplatzes.
Bildergalerie
- folgt in Kürze -
Zur Westseite des Richard-Wagner-Hains
Auf der hiesigen Westseite sahen die Planungen zunächst eine große Stadthalle vor. Das Bauwerk sollte dem monumentalen Denkmalplatz auf der anderen Uferseite als Baumasse gegenübertreten. Das Bauvorhaben wurde jedoch schnell verworfen. An die Stelle der Stadthalle trat schließlich der Wassergarten mit rahmender Pergola.
Muschelkalkmauern, aus deren Fugen Polsterstauden wachsen, Staudenrabatten und Plattenwege rahmen die Fontänenbecken auf der unteren Ebene. Der Blick öffnet sich zum Elsterbecken, wo die große Granittreppe bis hinunter zum Wasser führt. Zwei Bastionen mit Aussichtsterrassen fassen die Treppe ein. Die Treppenwangen und Stufen wurden aus Naturstein gebaut, die Bastionen bestehen aus Kunststein. Zwei Travertin-Blöcke waren für Skulpturen vorgesehen. Ein zweiter bildhauerischer Wettbewerb hatte im Jahr 1939 dafür Entwürfe geliefert. Der von den Nationalsozialisten entfesselte Krieg verhinderte wiederum, dass diese Objekte aufgestellt wurden.
Gustav Allinger legte auch für den Wassergarten eine detaillierte Pflanzplanung vor. Große Rizinus-Stauden sollten die Ecken der üppigen Staudenrabatten akzentuieren. Die Bastionen wie auch der Terrassengarten wurden durch Trauer-Weiden bepflanzt, deren tief hängende Zweige die Baulichkeiten überschirmen.
Der formal gestaltete Wassergarten ist als „Senkgarten“ mit Terrassierungen ausgeführt. Die große Fontäne in der Mitte des zentralen rechteckigen Wasserbeckens war von kleinen Springstrahlen in den vier runden Becken umgeben. Die Wasserspiele wurden am Abend beleuchtet. Den räumlichen Abschluss im Norden und Westen bildet die Pergola. An deren Travertinpfeilern, dem filigranen rückwärtigen Lattenwerk und den Holzauflagen rankte Wilder Wein.
Im Laufe der Jahre waren immer wieder Sanierungsmaßnahmen erforderlich, um die Standsicherheit der Pergola zu gewährleisten und die Hölzer zu erneuern. Die Bänke aus Travertinsockeln und Holzauflage entwarf der Architekt Wilhelm Lossow eigens für den Richard-Wagner-Hain. Nach 1993 wurden diese nach originalem Vorbild nachgebaut und wieder aufgestellt.
Der Zweite Weltkrieg verursachte an den Baulichkeiten des Richard-Wagner-Hains nur geringe Zerstörungen. Nur in der großen Ufertreppe zeugen noch heute Einschusslöcher von den Kampfhandlungen der letzten Kriegstage. In den Nachkriegsjahren wurden zur Vereinfachung der Pflege flach wachsende Wacholder gepflanzt und die Artenzusammensetzung der Beete reduziert. Der Wassergarten blieb weitgehend erhalten. Perspektivisch sollen die seit 2004 nicht mehr funktionstüchtigen Wasserspiele wieder in Betrieb genommen werden.