Harkort, Auguste (geborene Aders) - Leipziger Frauenporträts
Auguste Harkort-Aders, Reproduktion nach einem Porträt von Heinrich Christoph Kolbe. (In: Ausstellung deutscher Kunst von 1775-1875 in der Königlichen Nationalgalerie 1906. München 1906) © Repro Archiv Knopf Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Musik
- Salonkultur
- Stiftungswesen
geboren/ gestorben
16. Juni 1794 (Elberfeld) - 7. Mai 1857 (Dresden)
Zitat
"[...] eine unsrer liebsten, besten Freundinnen, die Mme. Harkort-Aders [...] ihre wahre Liebe zur Musik (sie sang selbst in früheren Jahren höchst vortrefflich), ihre Theilnahme an allem Geistigen und Schönen, und ihre sich immer gleich bleibende Freundlichkeit sind Eigenschaften, die [...] nur gar zu selten vereinigt angetroffen werden."
(Mendelssohn an Julius Hübner am 7.1.1844, Festschrift Elvers, Seite 184)
Kurzporträt
Auguste Harkorts Salon zählte im biedermeierlichen Leipzig zu den kulturellen Attraktionen. Die anerkannte Sängerin organisierte musikalische und literarische Veranstaltungen von hohem Rang, an denen Mendelssohn, Robert und Clara Schumann, Niels Gade, Hans Christian Andersen, Ottilie von Goethe und andere teilnahmen.
Herkunftsfamilie
- Großvater väterlicherseits: Johann Kaspar Aders (1719-1798)
- Großmutter väterlicherseits: Anna Louisa Philippina Hofius (1739-1821)
- Großvater mütterlicherseits: Johann Heinrich Brinck (1743-1817), Bankier
- Großmutter mütterlicherseits: Maria Elisabeth Honsberg (1741-1820)
- Vater: Johann Jakob Aders (1768-1825), Leinen- und Baumwollfabrikant, Kaufmann, Bürgermeister
- Mutter: Anna Helena Brinck (1770-1844), Bankierstochter
- Geschwister:
- Richard Aders (1796-1815)
- Emilie Aders (1798-?)
- Ewald Aders (1799-1832), Kaufmann in Leipzig
- Ida Aders (1806-1884), verehelichte Hülsmann
- Karl Alfred Aders (1809-1880), Bankier in Elberfeld
Biografie
Auguste Harkort, geborene Aders, war das älteste Kind des Elberfelder Industriellen und Bürgermeisters Jacob Aders. Der Vater galt als einer der einflussreichsten Wirtschaftsbürger des frühindustriellen Wuppertals. Bereits als junges Mädchen wirkte Auguste als Sopranistin bei den rheinischen Musikfesten unter Leitung von Johannes Schornstein mit. Am 23. April 1819 heiratete sie in Hagen den Kaufmann Karl Friedrich Harkort (1788-1856), mit dem sie künstlerische Interessen verbanden. Die Familien Aders und Harkort pflegten geschäftliche Beziehungen.
Karl Harkort lebte seit 1815 in Leipzig und gründete dort 1820 mit seinem jüngeren Bruder Gustav (1795-1865) ein Handelshaus für englische Garne. Später widmeten sich die beiden industriellen Projekten; Gustav war zudem Eisenbahnpionier und Bankier (Bankhaus Carl & Gustav Harkort). Beide Brüder wohnten mit ihren Familien zunächst zusammen. Eine Verbindung zwischen privater häuslicher Sphäre und Öffentlichkeit waren die Gesellschaften, die bei Karl Harkort gegeben wurden. Dies war der Wirkungskreis von Ehefrau Auguste. Mit ihrem "seelenvollen Gesang" hätte Auguste Harkort die "in Leipzig lebenden musikalischen Größen" bezaubert und in ihren Kreis gezogen (Pierson, Seite 117). Zu diesen Persönlichkeiten zählten Mendelssohn, die Schumanns, Ignaz Moscheles und Ferdinand David.
Auch Personen aus dem Goethe-Umkreis verkehrten bei ihr. Neben der Schwiegertochter des Dichters, Ottilie, waren dies der Kaufmann Wilhelm Gerhard und seine Töchter Clara und Similde sowie Johann Georg Keil und seine Frau, geborene Löhr.
Der Redakteur Gustav Kühne, der 1841 Augustes Nichte Henriette Harkort heiratete, vermittelte Kontakte zu Literaten wie Berthold Auerbach, Moritz Hartmann, Hermann Marggraf und Gotthard Oswald Marbach sowie zu den Vertretern des "Jungen Deutschlands", wie Heinrich Laube, Theodor Mundt und Ernst Willkomm. Kühne stellte auch den Kontakt zu dem Dramatiker Friedrich Hebbel und dessen Frau, der Wiener Burgschauspielerin Christine Enghaus, her. Das Haus Harkort galt auch in Wien als "ästhetischer Brennpunct Leipzigs" (Album österreichischer Schriftsteller, Seite 322).
Über eine Geselligkeit im Hause Harkort berichtete Clara Schumann am 16. Januar 1841: "An Künstlern fehlte es nicht; Mendelssohn, David, Ole Bull [dänischer Geiger] unter anderen waren da, Frau [Sophie] Schloß sang verschiedene Bravourarien." Elise Polko fasste das Wirken dieser Frau wohl am gültigsten zusammen: "Frau Auguste Harkort, [...] eine der geistvollsten und warmherzigsten Frauen, früher selbst eine ausgezeichnete Sängerin, ließ in ihren reizenden Salons lesen, musiciren, Theater spiele, diniren und soupiren; sie gab Feste für jung und alt in der Stadt wie in ihrem lieblichen Dölitzer Landhause und empfing mit unbeschreiblicher Liebenswürdigkeit jeden Gast." (Polko, Mendelssohn, Seite 112). Im Dölitzer Landhaus fanden sich zahlreiche Gäste ein: Robert Schumann, Ottilie von Goethe, Moritz Hartmann und Berthold Auerbach, der hier an verschiedenen Erzählungen arbeitete.
Auguste Harkort veranstaltete private Liederabende, öffentlich trat sie als verheiratete Frau in Leipzig selten auf. 1836 wirkte sie neben Henriette Grabau in dem von Mendelssohn einstudierten Händelschen Oratorium "Israel in Ägypten" mit, das in der Paulinerkirche mit großem Erfolg aufgeführt wurde. Gemeinsam mit der damals 16-jährigen Livia Gerhardt (Frege) sang sie am 5. April 1833 Solopartien in Händels "Salomon". 1838 nahm sie an einem Benefizkonzert zugunsten eines Mozartdenkmals in Salzburg teil.
Mit Mendelssohn und seiner Frau verband sie eine langjährige Freundschaft. Am 6. Juni 1843 wurde sie sogar Patin seines jüngsten Sohns Felix August Eduard (1843-1851). "Du sollst neben unserer Freundin, Frau Harkort, stehen", hatte Mendelssohn in Vorbereitung der Tauffeierlichkeiten an seine Schwester Fanny Hensel geschrieben.
Nach dem Tod ihres Ehemanns zog Auguste Harkort am 1. Juli 1856 mit ihrer Nichte Henriette und deren Ehemann Gustav Kühne nach Dresden. Hier starb sie schon ein Jahr später, trotz "dygitaler Pillen aus Paris". Ihr beträchtliches Vermögen hinterließ sie ihrer Nichte Henriette und deren Ehemann. Ihr Testament enthielt mehrere wohltätige Stiftungen: für notleidende Schriftsteller, für ein Kinderkrankenhaus und für unverheiratete, gebildete, unverschuldet in Not geratene Frauen (Aders-Stiftung). Sie wurde in Leipzig neben ihrem Ehemann auf dem Alten Johannisfriedhof im Erbbegräbnis Nr. 48 beigesetzt, wo 1865 auch ihr Schwager Gustav Harkort seine letzte Ruhe fand.
Adressen in Leipzig
- 1821-1838: Brühl 476 (Kraftscher Hof), heute Nummer 47
- 1839: Vor dem Barfußpförtchen 981 (Place de Repos)
- 1840: An der Pleiße 3 (Place de Repos)
- 1845: An der Pleiße 5 (Place de Repos)
- 1846 Lurgensteins Garten 1592
- 1848: Königstraße 8
- 1850-1856: Schützenstraße 12 (Haus der Lebensversicherungsbank Teutonia)
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Album österreichischer Dichter. Wien 1858, Seite 322 und Seite 362.
- Allgemeine musikalische Zeitung. 35 (1833), Seite 431 und folgende, 494); 38 (1836), Seite 765-770; 40 (1838), Seite 341.
- Andersen, Hans Christian: "Ja, ich bin ein seltsames Wesen". Tagebücher 1825-1875. Göttingen 2013. Eintrag vom 12. 2.1846, Seite 241.
- Bluhm, Heinz (Herausgeber): Tagebücher und Briefe von und an Ottilie von Goethe. Band 4. Wien 1966, Seite 65, 164, 552. - Band 5. Frankfurt/Bern 1979, Seite 69, 72, 120, 166.
- Feder, Georg und Peter Hübner: Felix Mendelssohns Briefe an Pauline und Julius Hübner.
- In: Festschrift Rudolf Elvers zum 60. Geburtstag. Tutzing 1985, Seite 157-198, hier Seite 184.
- Gerber, Mirjam: Zwischen Salon und musikalischer Geselligkeit. Hildesheim 2016.
- Kühne, Gustav: Hans Christian Andersen. In: Europa. Chronik der gebildeten Welt. Jahrgang 1847, Seite 340-343. [Schilderung der Begegnung mit Andersen im Hause Harkort-Kühne].
- Lampadius, Wilhelm Adolf: Felix Mendelssohn-Bartholdy. Berlin 2014, Seite 182.
- Leipziger Zeitung, Mai 1857, Seite 2362. [Todesanzeige: Nachts halb 1 Uhr entschlief in Dresden sanft und schmerzlos nach längerem Leiden Frau Auguste Harkort geborene Aders. Die Hinterlassenen. Breunsdorf, den 7. Mai].
- Mendelssohn-Bartholdy, Felix: Sämtliche Briefe. Bände 5, 6, 7, 9, 10. Kassel 2012-2015.
- Neue Zeitschrift für Musik. 5 (1836) Seite 122, 146, 158, 163 und folgende, 166.
- Pecht, Friedrich: Aus meiner Zeit. Lebenserinnerungen. München 1894, Band 1, Seite 163-164.
- Pierson, Edgar: Gustav Kühne, sein Lebensbild und Briefwechsel mit Zeitgenossen. Dresden 1889, Seite 117
- Polko, Elise: Erinnerungen an Mendelssohn. Leipzig 1868, Seite 112.
- Schumann, Robert: Tagebücher, Band 2, 1836-1854, Leipzig 1987, Seite 140 und 251.
Auguste Harkort gewidmete Werke
- Karl Beck. Gepanzerte Lieder. Wien 1838.
- Reißiger, Carl Gottlieb: Deutsche Lieder mit Begleitung des Piano-Forte Oeuvre 23. Fünfte Liedersammlung. Leipzig 1830.
- Willkomm, Ernst: Italienische Nächte. Reiseskizzen und Studien. Leipzig 1847.
Quellen
- Goethe-und-Schiller-Archiv Weimar (Briefe an Ottilie von Goethe und Louise Jäger sowie von Gustav Freytag).
- Deutsches Literatur-Archiv Marbach, Briefe von und an Berthold Auerbach.
- Universitätsbibliothek Leipzig (von August Daniel von Binzer).
- Universität Köln (von Amely Bölte).
- Genealogischer Nachlass Harkort-Kühne im Staatsarchiv Leipzig.
Internet-Links
Autorin: Sabine Knopf 2018