Strategische Kommunalpolitik
Die Finanzmittel, mit denen Bund, Länder und Kommunen wirtschaften können, werden vor dem Hintergrund schwindender Steuereinnahmen und steigender Sozialausgaben immer geringer. Die Schere zwischen der Einnahmen- und Ausgabenseite öffnet sich auch in Leipzig immer weiter.
Ein Großteil des ca. 1,4 Mrd. € umfassenden städtischen Haushalts ist für gesetzlich vorgeschriebene Pflichtaufgaben wie z. B. die Jugend- und Sozialhilfe gebunden. Bei den Mitteln, die für sog. freiwillige Aufgaben wie z. B. die Sportförderung zur Verfügung stehen, muss ein Großteil der möglichen Einsparungen realisiert werden.
Vor diesem Hintergrund wird der kommunalpolitische Entscheidungsspielraum zwangsläufig immer enger. Zum Erhalt der Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit ist eine konsequente Nutzung aller zur Verfügung stehender Möglichkeiten zur Einsparung und Effizienzsteigerung nötig. Mit dem im Februar 2004 vom Stadtrat der Stadt Leipzig beschlossenen und im Oktober 2005 in einer aktualisierten Fassung bestätigten Konzept zur Strategischen Kommunalpolitik wurden neue, innovative Ansätze zur Haushaltskonsolidierung entwickelt und ausprobiert.
Ziel ist es, die vorhandenen finanziellen Mittel und personellen Ressourcen im Sinne der strategischen Ziele einzusetzen. Hierfür wurden dem Stadtrat und dem Oberbürgermeister der Ist-Zustand und konzeptionelle Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen entscheidungsfähig vorbereitet und im Februar 2005 in Form eines Abschlussberichts vorgelegt. Zukünftig wird die politische Entscheidungsfindung über die Definition von nachvollziehbaren Prioritäten und Nachrangigkeiten erfolgen. Das gesamte Aufgabenspektrum der Stadt Leipzig wird hinsichtlich des jeweiligen Beitrags der einzelnen Aufgaben zur Erreichung der Ziele überprüft.
Zielfelder
Um die weitere wirtschaftliche Entwicklung forcieren zu können, wird in den nächsten Jahren mit oberster Priorität auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit (im nationalen und internationalen Maßstab) und Attraktivität Leipzigs gesetzt. Erst im erfolgreichen internationalen Standortwettbewerb und mit der Stärkung der hiesigen Unternehmen werden sich neue, v. a. finanzielle Handlungsspielräume für zusätzliche kommunale Dienstleistungen ergeben können.
Untrennbar ist damit verbunden, dass die Stadt ihre Unverwechselbarkeit, das "Leipzig-Spezifische" für die Zukunft sichert, stärkt und auch wiederum nutzt. Die Unverwechselbarkeit Leipzigs ergibt sich aus den die Stadt prägenden, z. T. jahrhunderte alten Leistungen, Werten und Objekten, aber auch aus hervorragenden Leistungen und Besonderheiten der Gegenwart. Hierzu gehören u. a. die bedeutendsten kulturellen Traditionen wie das Erbe von J.S. Bach und Mendelssohn, wissenschaftliche und künstlerische Leistungen Leipziger Hochschulen, aber ebenso die Zeugnisse und Erinnerungen an die friedliche Revolution von 1989.
Ebenso von besonderer Bedeutung für die Zukunftssicherung des öffentlichen Gemeinwesens ist die Sicherung der Lebensqualität der Menschen. Leipzig ist ein Ort der Kommunikation und der Integration, in dem die Menschen leben, arbeiten und ihre Freizeit verbringen. Heute hat Leipzig wieder viele Facetten und steht vor neuen Chancen. Die Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität der Stadt für in Leipzig ansässige, aber auch für auswärtige Unternehmen sind dabei entscheidende Voraussetzungen für die Erhaltung der Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger.
Die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung, die Schaffung von neuen, der Erhalt der bestehenden Arbeitsplätzen und die damit verbundene Verbesserung der Zukunftschancen der Leipziger Bevölkerung ist primäres strategisches Ziel der Stadtverwaltung und der Stadtpolitik.
Hierzu gehören z. B. Initiativen im Bereich der Unternehmensansiedlung, die Entwicklung des Forschungs- und Wissenschaftsstandortes, die Sicherung und Expansion hiesiger Unternehmer, die Förderung von Existenzgründungen sowie die Stärkung des Tourismus.
Die Stadt wird geprägt von ihren Bürgerinnen und Bürgern. Über die bisherige Einwohnerschaft hinaus ist insbesondere der Zuzug von neuen/jungen Einwohnern ein Zeichen für die Attraktivität der Stadt. Sie bringen neue Ideen und Potentiale im wirtschaftlichen, kulturellen und sportlichen Leben und sichern somit die Lebensqualität auch für kommende Generationen. Gleichzeitig wird nur auf diese Art und Weise die finanzielle Leistungsfähigkeit der Stadt gewährleistet.
Es sind die Voraussetzungen zu schaffen, damit insbesondere junge Menschen und Familien mit Kindern in Leipzig wohnen bleiben bzw. ihren Wohnsitz nach Leipzig verlagern. Hierzu gehören z. B. Maßnahmen zur Schaffung von attraktiven Bedingungen in vorschulischer und schulischer Bildung von Kindern und Jugendlichen sowie der Ausbildung/Studium von jungen Erwachsenen, zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie zur Förderung von attraktiven Bedingungen im Wohn- und Freizeitbereich. Dies bedeutet aber nicht, dass sich die Stadt Leipzig nicht auch ihrer Verantwortung für die älteren Menschen bewusst ist.
Leistungen der finanziellen Grundsicherung gehören zum Kernbestand der sozialen Kommunalpolitik und sichern die materielle Existenz der hier lebenden Menschen. Auf Leistungen der originären Grundsicherung besteht ein Rechtsanspruch, auf die der ergänzenden finanziellen Grundsicherung eine gesetzliche Verpflichtung mit einem Ermessensspielraum seitens der Stadt. Sonstige finanzielle Hilfen werden durch den Stadtrat beschlossen.
Beispiele hierfür sind die Sozial- und Jugendhilfe, das Wohngeld, ermäßigte Eintrittspreise etc.
Dazu gehören diejenigen Aufgaben, die die wichtigsten Grundfunktionen einer Stadt darstellen und für ihr wirtschaftliches und soziales Leben unabdingbar sind. Leipzig ist u. a. verpflichtet, die unmittelbare Gefahrenabwehr für die Bevölkerung sicher zu stellen, die notwendige Infrastruktur zu schaffen und zu erhalten sowie grundlegende behördliche Dienstleistungen anzubieten.
Hierzu gehören z. B. der Brand- und Katastrophenschutz, der Straßenbau, die Ver- und Entsorgung mit Wasser / Abwasser, Strom sowie der Betrieb von Schulen und Kitas etc.
Methodik
Mit der Definition strategischer Ziele der Kommunalpolitik können Prioritäten für die Haushaltsplanung gesetzt werden. Das Entscheidungskriterium ist dabei der jeweilige Beitrag der Aufgabe zur Umsetzung der strategischen Ziele.
Im nächsten Schritt werden einzelne fachbezogene und messbare (Unter-)Ziele definiert, die in einem überschaubaren Zeitraum auf der Grundlage der Konzentration auf strategisch wichtige Handlungsfelder der Stadt zu erreichen sind und an denen sich städtische Haushaltspolitik messen lassen muss.
Alle Aufgaben werden zusätzlich daraufhin überprüft, auf welcher gesetzlichen Grundlage sie erfolgen, welchen Ermessensspielraum und Freiheitsgrad die Stadt Leipzig hinsichtlich ihrer Verpflichtung zur Umsetzung (Pflichtigkeit) und der umzusetzenden Standards hat und ob die Aufgaben als Dienstleistungen der Stadtverwaltung im externen und internen Dienstbetrieb unverzichtbar sind. Je nach Beurteilung und Entscheidung resultieren Einsparungen finanzieller und personeller Art.
<media 4430 - - "BILD, Strat Kom Pol Gewichtung, StratKomPol_Gewichtung.gif, 39 KB">Vorgehensweise bei der Gewichtung der Aufgaben (PDF 39 KB) </media>
Gremien
Die Erarbeitung und Diskussion strategischer Ziele der Kommunalpolitik berührt alle Politikbereiche der Stadt. Dieser Prozess wird vom Zeitweiligen beratenden Ausschuss "Strategische Kommunalpolitik" des Stadtrates der Stadt Leipzig maßgeblich begleitet.
Ihm gehören neun Stadträte an. Er soll die weitere Fortentwicklung und Umsetzung der vorgelegten Konzeption auf die Haushaltsplanung unterstützen.
Die Beratungs- und Unterstützungsaufgaben des SVF, dass im Februar 2005 letztmals zusammentrat, betrafen insbesondere die Reflexion des strategischen Konzeptes und des Zielsystems, die Empfehlungen zu vorrangigen politischen Handlungsfeldern und Aufgaben der Stadt mit Bezug auf die einzelnen Ziele und deren Gewichtung für die Haushaltsplanung. Das SVF setzte sich aus 15 Bürgern unserer Stadt zusammen, die die kommunalen Politikfelder und die Leipziger Bevölkerung breit repräsentierten. Dem SVF gehörten keine klassischen Verbandsvertreter und keine Mitarbeiter der Stadtverwaltung und ihrer Einrichtungen an.
Es arbeitete auf der Basis von Informationen, die durch die Verwaltung und im Rahmen zweier sog. Offener Werkstätten erarbeitet wurden. Die Ergebnisse wurden im Frühjahr 2005 in einem Bericht dem Oberbürgermeister und dem Stadtrat übergeben. Damit endete die Arbeit des SVF.
Die beiden Gremien tagten bis Februar 2005 abwechselnd. Die Ergebnisse des SVF wurden in der darauf folgenden Sitzung des ZBA aufgenommen und diskutiert. Der Abschlussbericht des Sachverständigenforums ging in die Arbeit des ZBA, der den Prozeß der strategischen Kommunalpolitik weiterhin begleitet, ein.
Offene Werkstätten
Leipzig erprobt neue Wege bei der Konsolidierung des Haushalts
"Wir gehen zunächst nicht den klassischen Weg einer Leitbilddiskussion. Wir wollen zuerst Vor- und Nachrangigkeiten im Kontext wirtschaftlicher und finanzieller Umstände debattieren. Damit ist es möglich, aus einer Gesamtschau für die Kommune herauszufinden, was wichtig ist und was nachrangig sein muss." Mit diesen Worten bringt Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee auf den Punkt, was im Rahmen der strategischen Kommunalpolitik geschieht.
Zum Diskussionsauftakt über die strategische Kommunalpolitik fand am 9. September eine offene Werkstatt statt. Etwa 120 Teilnehmer waren der Einladung von Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee zu einem dreistündigen Meinungsaustausch gefolgt. In moderierten Diskussionsrunden warfen sie ihre Standpunkte in die Waagschale und setzten erste Prioritäten. Die Ergebnisse des Workshops dienen nun den Sachverständigen für ihre weitere Arbeit.
Mit dem im Februar 2004 von der Ratsversammlung beschlossenen Konzept werden neue Ansätze zur Haushaltskonsolidierung entwickelt. Außerdem helfen Sachverständige bei der Entscheidungsfindung. Das Sachverständigenforum setzt sich aus 15 Leipziger Bürgern zusammen, die die kommunalen Politikfelder und die Bevölkerung breit repräsentieren.
Die vier Zielfelder sind: "Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Leipzigs", "Sicherung des Erbes der Vorfahren", "Gewährleistung der elementaren Daseinsvorsorge" und "Gewährleistung der finanziellen Grundsicherung für bedürftige Menschen" (siehe auch "Zielfelder"). Zusätzlich werden alle kommunalen Aufgaben hinsichtlich ihrer gesetzlichen Grundlage und nach ihrem Ermessenspielraum bei Standards überprüft.
Im Februar 2005 wollen die Sachverständigen dem Stadtrat und dem Oberbürgermeister ihre konzeptionellen Vorschläge vorlegen. Das ist wichtiger Stoff für den zeitweiligen beratenden Ausschuss Strategische Kommunalpolitik, der mit neun Stadträten besetzt ist. Die beiden Gremien - Sachverständigenforum und zeitweilig beratender Ausschuss - tagen abwechselnd (siehe auch Gremien). Die Ergebnisse des Sachverständigenforums werden regelmäßig in die Sitzungen des Ausschusses "eingespeist".
Hintergrund für das Konzept der strategischen Kommunalpolitik ist, dass in Leipzig wie in anderen Kommunen deutschlandweit die Finanzausstattung für die vielen kommunalen Aufgaben nicht mehr ausreicht. Steuereinnahmen gehen zurück, Schlüsselzuweisungen werden von Bund und Land reduziert und die Sozial- und Personalausgaben steigen. Ein Großteil des 1,2 Mrd. Euro umfassenden städtischen Haushalts 2005 ist in Leipzig durch gesetzlich vorgeschriebene Pflichtaufgaben wie beispielsweise Jugend- und Sozialhilfe gebunden. Konsequenz ist deshalb, dass bei den so genannten freiwilligen Leistungen Prioritäten gesetzt werden müssen.
Die Ergebnisse der 2. Offenen Werkstatt am 15.03.2005 im Neuen Rathaus finden Sie in den Downloads.
Empfehlungen des Sachverständigenforums zur "Strategischen Kommunalpolitik"
Nach Ansicht des Sachverständigenforums sind eine positive wirtschaftliche Entwicklung, steigende Wettbewerbsfähigkeit sowie eine drastische Kostenreduzierung die unabdingbaren Voraussetzungen für den ökonomischen Erfolg der Stadt Leipzig und die Gesundung der Finanzlage. Nur auf dieser Grundlage kann auf Dauer eine auf den Bedarf hin angepasste Infrastruktur, ein Mindestangebot an sozialer Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürgern sowie der sinnvolle Erhalt des kulturellen und städtebaulichen Erbes gewährleistet werden.
Um dies zu erreichen, sollten alle Aktivitäten der Stadt primär darauf zielen, geeignete Rahmenbedingungen zum Erhalt bzw. zur Neuansiedlung von Arbeitsplätzen sowie der Entwicklung einer ausgeglichenen Altersstruktur zu schaffen. Damit insbesondere junge Menschen, Familien mit Kindern, Erwerbstätige sowie kreative und innovative Menschen in Leipzig wohnen bleiben bzw. ihren Wohnsitz nach Leipzig verlagern, müssen von Seiten der Stadt entsprechende Voraussetzungen geschaffen werden.
Dies sind die zwei Hauptziele des 90-seitigen Abschlussberichts, der im Februar 2005 nach sechs über einen Zeitraum von acht Monaten verteilten Arbeitstreffen in einem symbolischen Akt dem damaligen Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee und Mitgliedern des mit neun Stadträten besetzten Zeitweiligen Beratenden Ausschusses "Strategische Kommunalpolitik" übergeben wurde. Die von den 15 unabhängigen Sachverständigen empfohlenen Maßnahmen reichen dabei von der Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements über verstärkte Kooperationen mit privaten Unternehmen, Institutionen und anderen Kommunen bis hin zu einem integrierten Marketing. Konkrete Empfehlungen für die Bereiche Kultur, Sport, Jugend und Soziales, Schule und Bildung etc. sind weitere Bestandteile des Berichts.
"Das nun vorliegende Papier, das im Rahmen einer intensiven, konstruktiven und hoch motivierten Diskussion entstanden ist, stellt aus unserer Sicht einen Baukasten der Ideen dar. Wir erwarten von den Verantwortlichen der Stadtverwaltung eine offene Diskussion sowie die Bereitschaft, die Dinge auch unter einem veränderten Blickwinkel und mit anderen Augen zu sehen", betonte Tanja Bakry, Geschäftsführerin des Hotel "Breitenfelder Hof" und eine der Sprecher des Sachverständigenforums, anlässlich der Übergabe. "Wir liefern einen Bericht ab, der mit viel positiver Energie, gesundem Menschenverstand, dem Wunsch "unser" Leipzig in eine erfolgreiche Zukunft zu begleiten und ohne Einwirkung von Politik und Lobby entstanden ist."
Im Februar 2004 beschloss der Leipziger Stadtrat das Konzept zur Strategischen Kommunalpolitik. Das Ziel ist es, mittelfristig die politische Entscheidungsfindung anhand von definierten Prioritäten und Nachrangigkeiten für die Haushaltsplanung umzusetzen. Hierfür wurden von den Experten alle kommunalen Aufgaben hinsichtlich ihrer gesetzlichen Grundlagen und den Ermessensspielraum, den die Stadt Leipzig bei ihrer Verpflichtung zur Umsetzung und der umzusetzenden Standards hat, überprüft.
Der offizielle Startschuss zur Strategischen Kommunalpolitik erfolgte am 09.09.2004 mit einer Offenen Werkstatt, bei der etwa 120 Teilnehmer über die zukünftigen Prioritäten und Nachrangigkeiten der Leipziger Kommunalpolitik diskutierten. Der Abschlussbericht wurde im Rahmen einer zweiten Offenen Werkstatt am 15.03.2005 nochmals in einer breiten Öffentlichkeit diskutiert. Im Anschluss wurde das Konzept der Strategischen Kommunalpolitik nochmals diskutiert und in einer überarbeiteten Fassung im Oktober 2005 in den Stadtrat eingebracht und bestätigt.