Stadtklima in Leipzig
Städte heben sich seit je her durch ihre dichte Bebauung und starke Versiegelung ganz deutlich vom Umland ab. Dadurch entwickelt sich ein eigenständiges Stadtklima. Beton und Asphalt heizen sich im Vergleich zum Umland am Tag stärker auf und kühlen in der Nacht geringer ab. Vor allem die dicht bebauten innerstädtischen Quartiere sind im Sommer Wärmeinseln (Hot Spots). Die gegenüber dem Umland erhöhte Oberflächenrauigkeit durch die städtische Bebauung bewirkt zudem eine Verringerung der Windgeschwindigkeiten, die gleichzeitig den Luftaustausch und den Abtransport von Schadstoffen verschlechtert. Durch die Klimakrise kommt es zu einer Häufung von Hitzeperioden. Das verschärft die Situation vor allem in den bereits belasteten Stadtteilen.
Während heißer Sommerperioden kann es zu einer stark erhöhten thermischen Belastung für die Menschen in den Städten kommen. Hitzebelastungen treten vor allem an Tagen auf, bei denen die Tageshöchsttemperaturen über 30° C hinausgehen. In der Nacht setzt sich die starke Wärmebelastung fort und verhindert einen erholsamen Schlaf. Lang andauernde Hitzewellen führen vor allem in dicht bebauten Stadtbereichen mit geringem Grünflächenanteil zu einer Gefährdung der Gesundheit. Betroffen sind besonders Säuglinge, Kleinkinder, kranke und ältere Menschen, deren Organismus sich in der Nacht nicht ausreichend regenerieren kann. Ein ausgeglichenes Stadtklima trägt zum Gesundheitsschutz und zur Lebensqualität der Stadtbewohner bei.
Hitzebelastung in Leipzig: Stadtklimaanalyse informiert zu Belastungssituationen im Wohn- und Arbeitsumfeld
Um Aussagen zu treffen, in welchem Maße die Stadt Leipzig und ihre Bewohnerinnen und Bewohner von Hitze betroffen sind und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um negative Auswirkungen von Hitze auf die menschliche Gesundheit zu minimieren, werden regelmäßig Stadtklimanalysen durchgeführt.
Zuletzt fand die Analyse in zwei Phasen statt. Die Ergebnisse werden hier präsentiert.
Der umfangreiche Datensatz zum Mikroklima, zum Strömungsfeld und zur Hitzebelastung der Menschen in Leipzig aus der 1. Phase wurde in einer zweiten Phase weiter analysiert und mit einer umfangreichen räumlichen Darstellung aus 17 Maßnahmen ergänzt. Die Maßnahmenkarten zeigen an, wo welche Strategie helfen kann, die im Block oder im Straßenraum vorherrschende Wärmebelastung zu reduzieren.
Die Umsetzung der Maßnahmen wird unter anderem durch verschiedene laufende Prozesse, wie dem Straßenbaumkonzept, der Gründachförderung und dem Masterplan Grün begleitet. Verantwortlich hierfür ist die Umweltverwaltung, die aber auch bei der Erstellung von Bebauungsplänen auf die klimatischen Auswirkungen auf den Menschen hinweist.
Die Bearbeitung den Phasen 1 und 2 wurde gemeinsam vom Amt für Umweltschutz und dem Stadtplanungsamt begleitet. Im Ergebnis liegen nun verschiedene Karten zur Verfügung und werden hier vorgestellt.
In einem Extrakapitel widmet sich der Abschlussbericht (PDF 76 MB) dem bisher beobachteten Klimawandel in Leipzig und analysiert die zukünftige Entwicklung für zwei gegensätzliche Klimaszenarien. Was erwartet uns bei einem „Weiter wie bisher“ und welche negativen Folgen können durch effektive Klimaschutzmaßnahmen mit Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens vermieden werden? Es zeigt sich in beiden Fällen deutlich: Die Jahre 2014 - 2020 waren bis zu 2 °C wärmer als das Leipzig typische Mittel von 9,6 °C. Diese Temperaturen werden bis zur Mitte des Jahres der Normalzustand sein. In der Zukunft besonders warme Jahre übertreffen also nochmal deutlich das, was wir in den vergangenen Jahren erlebt haben. Im „Weiter wie bisher“-Szenario steigt die Temperatur und damit auch die Anzahl von Sommertagen, heißen Tagen, Tropennächten und die Länge der Hitzeperioden bis 2100, also in nicht mal mehr 80 Jahren, ungebremst auf ein Vielfaches an, während der Erwärmungstrend beim Klimaschutzszenario ab ca. 2050 gedeckelt wird. Der Niederschlag bleibt in der Jahressumme etwa gleich. Er fällt zukünftig jedoch mehr in den Wintermonaten als im Sommer. Zusätzlich fällt der Regen mehr und mehr als Starkniederschlag und versickert damit kaum im Boden, sondern fließt ab. Die höhere Temperatur lässt mehr Niederschlag verdunsten, was durch die Winterniederschläge nicht mehr ausgeglichen werden kann. Je wärmer es wird, umso trockener werden also die Böden und letztlich steht auch immer weniger Grundwasser zur Verfügung. Die Begrenzung der Erhitzung nach dem Klimaschutzszenario kann die Entwicklung auf einem planbaren Maß halten und bietet noch Möglichkeiten zur Anpassung.
In der Klimaanalysekarte Tag (PDF 20 MB) wird für den Zeitpunkt 14:00 Uhr an einem wolkenlosen Sommertag die physiologische Äquivalenttemperatur in Grad Celsius (PET) dargestellt. Dieses Temperaturmaß ist ein Maß ähnlich der gefühlten Temperatur, mit dem die Aufenthaltsqualität im Freien beschrieben werden kann. Neben der Lufttemperatur geht in diese Größe auch die eingehende Strahlung (Sonne/Schatten), der Wind und die Luftfeuchte ein. Die vorgestellten Ergebnisse der Analyse beziehen sich auf Siedlungs- Grün- und Verkehrsflächen in Leipzig auf der Basis von Rasterdaten (10 Meter x 10 Meter).
In der Klimaanalysekarte Nacht (PDF 14 MB) wird das komplexe Wechselspiel zwischen dem stellenweise stark, stellenweise wenig überwärmten Siedlungsgebiet und den Funktionen der ausgleichenden Grünflächen in wolkenlosen Sommernächten vermittelt. In der Nacht bildet sich der größte Temperaturunterschied zwischen bebauten und unbebauten Flächen aus, da versiegelte Flächen tagsüber mehr Wärme speichern und daher nachts länger „warm“ sind. Die dazugehörige Karte zeigt die Funktionen und Prozesse des nächtlichen Luftaustausches in und um Leipzig. Dazu gehören Kaltluftproduktionsflächen, das Strömungsfeld, Kaltluftleitbahnen und die Einwirkbereiche der Kaltluft in die Wohn- und Gewerbegebiete der Stadt. Für diese bebauten Flächen zeigt die bodennahe Lufttemperatur um 4 Uhr morgens die Stärke der nächtlichen Überwärmung gegenüber dem Umland.
Die Darstellung der Belastungen aus der Tag- und Nachsituation werden in der Planungskarte (PDF 6 MB) genutzt, um verschiedene Handlungsoptionen zur Minimierung der Belastungen abzuleiten. Dies ist abhängig von der Nutzung der Fläche (Wohnen, Gewerbe, Straße). Bei der Formulierung von Handlungsoptionen wird dabei auch die wichtige Rolle der Grünflächen zur Reduzierung der Hitzebelastungen betrachtet. Je höher die abkühlende Funktion einer Grünfläche ist, desto höher wurde diese bewertet Die Bewertung reicht von sehr gering bis sehr hoch.
Kaltluftprozesse spielen eine wichtige Rolle bei der Reduzierung von Hitze, insbesondere durch die nächtliche Entstehung und Verteilung von Kaltluft. Die Karte Kaltluftprozessraum (PDF 12 MB) zeigt die räumliche Verteilung der wertvollen Kaltluftproduktionsflächen und der Flächen über welche die kühlenden Luftmassen in der Nacht entlang strömen können und letztendlich in welchen Quartieren die Kaltluft ankommt. Insgesamt gibt es 11 Räume in der Stadt, die besonders für die Entstehung und Verteilung von Kaltluft dienen. Die Mehrzahl dieser Kaltluftprozessräume befinden sich im Osten der Stadt. Im Westen ist nur ein Prozessraum nachgewiesen worden. Hier findet der Kaltluftaustausch nicht in großen überregionalen Bahnen, sondern direkt von den Grünflächen vor Ort in die angrenzenden Straßen und Blöcke statt.
Trotz kühlem Lüftchen in der Nacht können sich in den Quartieren wärmebelastende Situationen entwickeln. Eine Übersicht über Quartiere mit einer ungünstigen und sehr ungünstigen stadtklimatischen Situation wurden bereits mit der 1. Phase identifiziert. Die zweite Phase schaut darüber hinaus auch die Bereiche mit noch „mittlerer Situation“ genauer an. Das Ziel dabei ist, potentiell kritische Bereiche zu identifizieren und zu entwickeln, so dass die Gefährdung erst gar nicht entsteht. Bereits heute ist bekannt, welche Quartiere durch eine zunehmende Bebauung, längere Hitzeperioden oder spätestens mit der weiter rasant ansteigenden Temperatur durch die Klimakrise Gefahr laufen, in eine ungünstige oder sehr ungünstige Situation abzurutschen. Diese so genannten Kippflächen müssen bei der Maßnahmenumsetzung ebenfalls eine hohe Priorität erfahren und bilden zusammen mit den ohnehin schon betroffenen Quartieren den „stadtklimatischen Sanierungsbereich“. Die 17 Maßnahmen werden vor allem innerhalb dieses Bereichs ausgewiesen.
In der 1. Phase der Stadtklimaanalyse wurde die stadtklimatische Funktionalität für alle Grünflächen im Stadtgebiet beschrieben. Die zweite Phase nimmt nun noch weitere Kriterien in die Betrachtung. Für die Tag-Situation ist die Lage zu den oben beschriebenen Klimasanierungsbereichen, die Grünflächenversorgung im Gebiet und die Nähe zu besonders vulnerablen, also gefährdeten Gruppen, zu denen vor allem Kleinkinder und ältere Menschen zählen, entscheidend. Nachts kommt anstelle der Grünflächenversorgung die Funktion innerhalb der Kaltluftprozesse zum Tragen. Flächen, die einen effektiven Beitrag zur Durchlüftung der Stadt leisten, sind bei der Nachverdichtung besonders zu schützen. Eine Übersicht dieser wichtigen Flächen vermittelt die Karte zu den Klimasanierungsgebieten schützenswerter Grünflächen (PDF 9,9 MB).
Auf der Basis der Analysen sind für Gebäude, Quartiere, Verkehrs- und Grünflächen insgesamt 17 Maßnahmen formuliert, um den negativen Auswirkungen von klimatischen Veränderungen entgegenzutreten. Hierzu zählen einerseits der Erhalt und die Förderung von Kaltluftprozessräumen sowie die Anlage von Wasserflächen, die Pflanzung von Straßenbäumen, Gebäudebegrünungen und der Schutz von Waldflächen.