von Ziegler, Christiana Mariana (geborene Romanus, verwitwet von Könitz, verheiratet von Steinwehr) - Leipziger Frauenporträts
Silbermedaille auf die Dichterin Christina Mariana Ziegler, geb. Romanus © Stadtgeschichtliches Museum Leipzig Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Bildung/ Pädagogik
- Literatur
- Musik
- Salonkultur
geboren/ gestorben
28. Juni 1695 (Leipzig) - 1. Mai 1760 (Frankfurt an der Oder)
Zitat
"Wohnt Witz in einer Männerstirne,/ So hat auch dieser Satz sein Recht:
Es steckt dem weiblichen Geschlecht/ Kein Spinngeweb in dem Gehirne."
(aus: Gedichte, 12. Ode, Als die gelehrte Laura Maria Catharina Bassi in Bologna den Doctorhuth erhielt. 1739)
Kurzporträt
Christiana Mariana von Ziegler, eine gelehrte Frau des 18. Jahrhunderts, war Schriftstellerin, Dichterin und Musikerin. Ab 1723 führte sie einen der ersten deutschen literarisch-musikalischen Salons. In ihren Werken betonte sie selbstbewusst die geistige Ebenbürtigkeit der Geschlechter.
Herkunftsfamilie
- Vater: Franz Conrad Romanus (1671-1746), Jurist und Bürgermeister in Leipzig
- Mutter: Christiana Maria geborene Brummer (1676?-1739 )
- Geschwister: Franz Wilhelm (1703-1762), sechs weitere im Kleinkindalter verstorben
Biografie
Christiana Marianas Wohlhabenheit und Bildung ermöglichten ihr im 18. Jahrhundert ein ungewöhnlich selbst bestimmtes Frauenleben. Als Frau und Literatin war sie Vorbild für viele Dichterinnen, die ebenfalls bewusst über die ihnen als Frauen zugewiesene gesellschaftliche Rolle reflektierten.
Christiana Mariana wurde 1695 als erstes von acht Kindern des Leipziger Juristen Franz Conrad Romanus und seiner Frau Christiana Maria, Tochter der Kaufmannsfamilie Brummer, geboren. Noch als Kind verlor Christiana Mariana sechs ihrer Geschwister, die im Kleinkindalter verstarben. Nur sie und ihr 1703 geborener Bruder Franz Wilhelm erlebten das Erwachsenenalter. Ende 1704 bezog die Familie Romanus ihr neuerbautes Stadtpalais an der Katharinenstraße. Als Christiana neun war, wurde ihr Vater, seit 1701 Bürgermeister in Leipzig, wegen Verdachts des Finanzbetruges inhaftiert. Er verstarb nach 41 Jahren Haft auf der Festung Königstein. Das Vermögen war nach seiner Verhaftung nicht eingezogen worden; auch das Haus blieb der Familie mit Verweis auf die große Mitgift, die Frau Romanus in die Ehe eingebracht hatte, erhalten. Wie Bruder Franz Wilhelm erhielt Christiana Mariana eine umfassende Bildung. Sie sprach Französisch, hatte Kenntnisse in der griechischen und römischen Mythologie, erlernte das Klavier- und Lautenspiel, verfasste Gelegenheitsgedichte, wurde in die Malerei eingeführt und in der Führung eines großen Haushaltes unterwiesen.
1711, mit 16 Jahren, heiratete sie in der Leipziger Nikolaikirche den acht Jahre älteren Heinrich Levin von Könitz (1687-1712), Herr auf Arnstädt und Friedeburg im Mansfeldischen, und stieg damit in den niederen Adelsstand auf. Nach dem Tod ihres Mannes im Juli 1712 blieb sie mit der wenige Monate alten Tochter Johanna Mariana Henrietta zurück. 1715, nun 19-jährig, wurde Christiana Mariana die Frau des Hauptmanns Georg Christoph von Ziegler und folgte ihm auf sein Gut Eckartsleben bei Erfurt. Die zweite Tochter wurde im März 1717 auf den Namen Carolina Augusta Louisa getauft. 1722 starben der zweite Ehemann Marianas und beide Töchter, nur sechs und elf Jahre alt, wahrscheinlich an einer ansteckenden Krankheit. Christiana Mariana von Ziegler kehrte im selben Jahr als noch junge, zweifache Witwe zu ihrer Mutter in das Romanushaus nach Leipzig zurück.
In Leipzig ließ sich die Zieglerin in Philosophie unterrichten, bildete sich in Dichtung und Musik weiter. Sie vervollkommnete ihr Lauten- und Klavierspiel und erlernte das Spiel der französischen Flöte sowie der Querflöte, obwohl Blasinstrumente damals Männern vorbehalten waren. Sie reiste und führte eine umfangreiche Korrespondenz mit Freunden, Verwandten und Gelehrten. Schon während ihrer zweiten Ehe, also noch vor der Veröffentlichung eigener Verse und Prosa, stand sie im Briefwechsel mit ihrer Altersgefährtin, der schlesischen Dichterin Marianna von Breßler (1693-1726) und tauschte sich mit ihr darüber aus, "ob auch das Frauenvolck zum tichten fähig sei". Wahrscheinlich ab 1723, nach Ende des Trauerjahres, nutzte die Zieglerin ihre Position als vermögende Witwe und Adlige mit bürgerlichen Wurzeln, um Zusammenkünfte im Romanushaus zu veranstalten. Hier kam es zu Begegnungen bedeutender Leipziger und Durchreisender, von Männern und Frauen. Es entstand einer der ersten deutschen literarisch-musikalischen Salons (von der Zieglerin selbst Zusammenkunft, Gesellschaft oder Zimmer genannt), in dem eine Frau in ihre Räume einlud, die Organisation übernahm und die Gespräche zu verschiedenen Themen leitete, Reimspiele und Aufführungen initiierte. Stadthonoratioren verkehrten bei ihr ebenso wie Gelehrte und Künstler, die sie auch protegierte.
Die neuere Forschung geht von einer persönlichen Bekanntschaft der Frau von Ziegler mit Johann Sebastian Bach aus, ab Mai 1723 als Thomaskantor und städtischer Musikdirektor in Leipzig, ebenso von seiner Mitwirkung an musikalischen Aufführungen im Salon. 1725 vertonte er neun Texte der Zieglerin zu Kantaten (BWV 103, 108, 87, 128, 183, 74, 68, 175, 176). Auch Johann Christoph Gottsched, der 1724 fast mittellos nach Leipzig gekommen war, fand hier Zugang zur Leipziger Gesellschaft. Er wiederum bestärkte Frau von Ziegler in ihren dichterischen Versuchen und bot ihr in seinen Zeitschriften die Möglichkeit zur Veröffentlichung. 1725 und 1726 arbeitete sie unter Pseudonymen an seiner moralischen Wochenschrift "Die vernünftigen Tadlerinnen" mit. Christiana Mariana von Ziegler verfasste drei Bücher. Die 1728 erschienenen "Versuche in gebundener und ungebundener Schreib=Art" enthalten unter anderen die von Bach vertonten Texte. 1731 veröffentlichte sie die Prosa-Sammlung "Moralische und vermischte Sendschreiben" in Leipzig. Die "Vermischten Schriften in gebundener und ungebundener Rede" erschienen 1739 in Göttingen. Die "Send-Schreiben" enthalten Briefe zu Moral, Erziehung, Ehe, Frauenlektüre und gelten als ihr kritischstes Werk. Die Historikerin und Biografin Susanne Schneider stellte fest, dass die Zieglerin sich vorrangig als Sittenlehrerin sah und ihre Vorstellungen von Vernunft, Tugend und Wohlstand (Wohlverhalten) der Menschen verbreiten wollte. Dazu bot sich Frau von Ziegler bei ihren Gesellschaften und durch die Veröffentlichung ihrer Gedanken in "gebundener und ungebundener Schreib=Art" Gelegenheit. So rät sie allen Frauen, neben dem Haushalt nicht die eigene Bildung zu vergessen, die sie als unbedingt notwendig empfiehlt: "Der Tag hat viele Stunden, und bey dem eynen [der Wirtschaft] muß das andere [das Lernen] nicht versäumet werden."
1731 wurde Frau von Ziegler erstes weibliches Mitglied der Deutschen Gesellschaft, die unter Gottscheds Leitung als Förderverein für deutsche Sprache und Literatur wirkte. Zweimal errang sie den Poesiepreis der Gesellschaft. Höhepunkt war die von Gottsched angeregte Verleihung des Titels Kaiserlich gekrönte Poetin durch die Universität Wittenberg im Jahr 1733, durch den sie als Gelehrte anerkannt und mit gelehrten Männern auf eine Stufe gestellt wurde. Das brachte ihr nicht nur Huldigungsgedichte ein, sondern auch den Spott Leipziger Studenten, die diese Ehre keiner Frau gönnten und in Schmähschriften den ehrbaren Lebenswandel der Witwe Ziegler bezweifelten. Aufsehen erregte es auch, als der Augsburger Medailleur Andreas Vestner (1707-1754) die Zieglerin als kaiserlich gekrönte Poetin in eine Serie von Silbermedaillen verstorbener und noch lebender Gelehrter aufnahm (siehe Abbildung).
Zwei Jahre nach dem Tod ihrer Mutter heiratete Frau von Ziegler 1741 den Philosophie-Professor Wolf Balthasar Adolf von Steinwehr (1704-1771), den sie seit 1732 aus der Deutschen Gesellschaft kannte. Er hatte den Druck ihres letzten Buches 1739 in Göttingen vermittelt, in dem sie sich noch einmal ironisch zum Herrschaftsanspruch der Männer äußerte: "Du Weltgepriesenes Geschlechte,/ Du in dich selbst verliebte Schaar,/ Prahlst allzusehr mit deinem Rechte,/ Das Adams erster Vorzug war.../ Die Männer müssen doch gestehen,/ Daß sie wie wir, auch Menschen sind./ Daß sie auch auf zwey Beinen gehen/ Und daß sich manche Schwachheit findt./ Sie trincken, schlafen, essen, wachen./ Nur dieses ist der Unterscheid,/ Sie bleiben Herr in allen Sachen/ und was wir thun, heißt Schuldigkeit." 1741 folgte Christiana Mariana von Steinwehr ihrem Mann nach Frankfurt an der Oder, wo sie im Jahr 1760 starb.
Werke
- Gedichte, Reden, Gespräche, Briefe, Fabeln. Versuch in Gebundener Schreib=Art, Leipzig 1728.
- In gebundener Schreib=Art Anderer und letzter Teil, Leipzig 1729.
- Abhandlung, ob es dem Frauenzimmer erlaubet sey, sich nach den Wissenschaften zu bestreben?, Rede vor der Deutschen Gesellschaft, 1730.
- Moralische und Vermischte Send=Schreiben, An einige Ihrer vertrauten und guten Freunde gestellet, Leipzig 1731.
- Vermischte Schriften in gebundener und ungebundener Rede, Göttingen 1739.
Übersetzungen:
- Der Madame Scudery Scharfsinnige Unterredungen, von Dingen, die zu einer wohlanständigen Aufführung gehören, übersetzet von Christina Mariana von Ziegler, gebohrnen Romanus, Leipzig 1735.
- Abhandlung von dem rechtschaffnen Wesen aus dem Französischen des Herrn Chevalier de Meré, übersetzt von der Frau von Ziegler, in: Der Deutschen Gesellschaft in Leipzig eigene Schriften und Übersetzungen in gebundener und ungebundener Schreibart. Der dritte Theil, Leipzig 1739, Seiten 371-412.
- Des Abtes Trublet Gedanken über verschiedene Sachen, welche zur Gelehrsamkeit und Sittenlehre gehören, aus dem Französischen übersetzt von Christianen Marianen von Steinwehr, gebohrnen Romanus, 2 Theile, Göttingen 1744.
Adressen in Leipzig
- 1695-1704: Schubert'sches Haus, Petersstraße
- 1704-1711, 1722-1739: Romanushaus, Katharinenstraße/ Ecke Brühl
- 1739-1741: Haus zur Weißen Taube (heute Richard-Wagner-Platz 3)
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Bronzetafel in der Schwelle des Romanushauses (Eingang Katharinenstraße, 04109 Leipzig), 2006 initiiert von der Stiftung Bürger für Leipzig (Gestaltung Ute Puder), finanziert aus Spenden: "Die Tochter des Bürgermeisters Romanus war Dichterin und Musikerin, erstes und einziges weibliches Mitglied der "Deutschen Gesellschaft". Als Dichterin war sie der Mittelpunkt eines literarisch-musikalischen Salons, in dem auch Johann Christoph Gottsched und Johann Sebastian Bach verkehrten. Bach vertonte mehrere von ihr verfasste Kantatentexte. Sie lebte vom 28. Juni 1695 bis 1. Mai 1760".
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Susanne Schneider, Lebensgeschichte und literarisches Werk als Wechselbeziehung. Zur Frage der Geschlechter in den Texten der Dichterin Christiana Mariana von Ziegler (1695-1760). Magistraarbeit an der Universität Gesamthochschule Kassel. 1997. [Abruf 02.05.2006]. kobra.bibliothek.uni-kassel.de/bitstream/urn:nbn:de:hebis:34-623/1/abs0002_05.pdf.
- Barbara Becker-Cantarino, Der lange Weg zur Mündigkeit. Frau und Literatur 1500-1800. Stuttgart 1987.
- Christine Wolter, Mariana oder Die Unsterblichkeit. Leipzig 2004.
- Philipp Spitta, Mariane von Ziegler und Johann Sebastian Bach. In: Philipp Spitta, Zur Musik. Sechzehn Aufsätze. Berlin 1892, Seiten 93-118.
Autorin: Gerlinde Kämmerer, 2013