„Kein Kompliment“ – Kampagne gegen sexuelle Belästigung
Catcalling – das können sexuell anzügliche Bemerkungen, Pfeif- oder Kussgeräusche, aufdringliche Blicke, obszöne Gesten oder Kommentare über das Äußere einer Person sein. Catcalling ist eine Form sexueller Belästigung im öffentlichen Raum. Wenngleich es dabei nicht zum Körperkontakt kommt, kann Catcalling weitreichende und langfristige Konsequenzen haben.
Auf Initiative des Jugendparlaments erarbeitete der Kommunale Präventionsrat Leipzig gemeinsam mit Mitgliedern des Präventionsnetzwerks eine Print- und Digitalmedienkampagne, mit der wir auf das Phänomen Catcalling und die Folgen für Betroffene aufmerksam machen.
Erfahrungsbericht 1
„Ich war so wütend auf diese Typen, weil sie sich über meine Angst lustig gemacht haben.“
Als ich vor einigen Wochen am Morgen an der Elster joggen war, bog ich in einen Weg im Park ein, der von Hecken gesäumt war. Unmittelbar vor mir stand eine Gruppe von Männern, die den Durchgang versperrten. Ein ungutes Gefühl durchfuhr meinen Körper. Ich überlegte kurz, auf dem Absatz kehrt zu machen, doch dafür schien es mir zu spät. Die Männer starrten mich an – vielleicht waren auch sie einfach überrascht worden. Ich lief auf sie zu. Erst im letzten Moment traten sie auseinander, sodass ich knapp durch die Gruppe hindurchschlüpfen konnte. Mein Herz schlug bis zum Hals. Einer rief: „Lauf Forrest, lauf!“ Schallendes Gelächter in der Gruppe. Ich rannte so schnell ich konnte. Erst als ich eine Passantin sah, die gerade mit ihrem Hund Gassi ging, verlangsamte ich meine Schritte. Ich war so wütend auf diese Typen, weil sie sich über meine Angst lustig gemacht haben.
Kein Kompliment, sondern Machtdemonstration
Der Begriff Catcalling beschreibt im Englischen das Anlocken einer Katze. Im deutschsprachigen Raum wird der Begriff verwendet, um sexuell konnotierte Verhaltensweisen beziehungsweise verschiedene Arten der sexuellen Belästigung ohne Körperkontakt zusammenzufassen.
Den Tätern und Täterinnen geht es nicht um die respektvolle und wohlwollende Kontaktaufnahme mit einer fremden Person. Vielmehr werden Betroffene durch die aufgezwungene Interaktion belästigt, bloßgestellt und erniedrigt.
Catcalling ist kein Kompliment, sondern eine Machtdemonstration.
Erfahrungsbericht 2
„Ich weiß nicht, was er gedacht hat, aber seine Nachfragen lösten in dieser Situation enormes Unbehagen in mir aus.“
Während meines Studiums bin ich oft und gerne ausgegangen. Da ich etwas getrunken hatte, schob ich mein Fahrrad die kurze Strecke von der Kneipe bis zu meiner Wohnung. An einer Ampel stand neben mir ein junger Mann. Er versuchte ein Gespräch anzufangen; fragte mich nach meinem Namen, was ich mache und woher ich komme. Ich war einfach geschafft und fühlte mich unwohl in dieser Situation. Ich weiß nicht, was er gedacht hat, aber seine Nachfragen lösten in dieser Situation enormes Unbehagen in mir aus. Meine knappen und ausweichenden Antworten konnten seinen Kontaktversuchen kein Ende setzen. Er wich mir nicht von der Seite. Freundlich aber bestimmt ließ ich ihn wissen, dass ich mich nicht unterhalten möchte. Daraufhin wurde er ausfällig, spuckte vor mir auf den Boden und beschimpfte mich. Ich fühlte mich wie in der Falle: In meiner Wohngemeinschaft, die nur noch zwei Straßen entfernt war, wäre ich sicher, aber dann würde der Typ wissen, wo ich wohne. Ich war heilfroh, als er an der nächsten Straße abbog.
Catcalling macht Angst und schränkt die Freiheit ein
Sexuell konnotierte Übergriffe im öffentlichen Raum stehen in engem Zusammenhang mit dem Sicherheitsgefühl der Menschen in unserer Stadt.
Auch wenn es bei verbalen Übergriffen bleibt, kann Catcalling weitreichende und langfristige Konsequenzen haben. Betroffene berichten über emotionale und psychische Belastung, ein Gefühl der Unsicherheit und/oder die Schwächung des Selbstwertgefühls: Auch körperlichen Symptome wie Muskelverspannungen, Atembeschwerden, Schwindel und Übelkeit können (unmittelbare) Folgen der Belästigung sein.
Um diesen unangenehmen und teils bedrohlichen Situationen vorzubeugen, verfolgen Betroffene Vermeidungsstrategien, indem sie beispielsweise weite Kleidung tragen, bestimmte Orte oder Verkehrsmittel meiden.
Der öffentliche Raum in Leipzig soll von allen angstfrei genutzt werden können, unabhängig von Geschlecht, Geschlechtsidentität, sexueller Orientierung, Hautfarbe und etwaigen körperlichen Beeinträchtigungen. Empathisches, selbstreflektiertes Verhalten, der respektvolle Umgang miteinander sowie das Einstehen füreinander sind dafür wichtige Grundlagen.
Was kann man gegen Catcalling tun?
Es gibt kein Patentrezept dafür, was im Falle von Catcalling zu tun ist. Sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum kann in vielen Kontexten und Erscheinungsformen auftreten. Während man in Situationen, die man als bedrohlich empfindet, wohl einfach froh ist, wenn nichts Schlimmeres passiert ist, ärgert man sich vielleicht im Nachhinein darüber, dass man einen erniedrigenden Spruch nicht gekontert hat.
Am wichtigsten ist es, sich nicht in Gefahr zu bringen und soweit möglich auf Abstand zu der catcallenden Person zu gehen. Die Anwesenheit anderer Passantinnen und Passanten kann Sicherheit geben. Für viele Betroffene ist es hilfreich, sich mit Freundinnen und Freunden über den Vorfall auszutauschen. Ebenso können Angebote wie das Hilfetelefon dabei unterstützen, den Übergriff zu verarbeiten. Professionelle Hilfe gibt es auch durch Beratungsstellen wie die Opferhilfe Sachsen e.V. Die Beratungsstelle des Bellis e.V. bietet unbürokratische Hilfe für lesbische, schwule, bisexuelle, trans, inter, asexuelle und queere (lsbtiaq*) Menschen, die sexualisierte Gewalt erfahren haben.
Die genannten Beratungsangebote sind kostenfrei und auf Wunsch anonym. Dabei ist es unerheblich, wie lange die Tat her ist, ob eine Anzeige erfolgte, wo und von wem die Tat begangen oder ob deshalb schon einmal Unterstützung in Anspruch genommen wurde.
Wenn man Catcalling bei anderen Personen mitbekommt, kann man dem am besten mit Aufmerksamkeit begegnen. Dabei ist es egal, ob man die übergriffige Person direkt anspricht und ihr Fehlverhalten klar benennt oder sich der belästigten Person zuwendet. Die betroffene Person weiß dann, dass sie ist nicht alleine ist und der Übergriff wird dadurch sichtbar missbilligt.
Kampagne gegen Catcalling – wer, wie, was und warum
Was wir mit der Medienkampagne erreichen wollen
Auf Initiative des Jugendparlaments (Antrag Nr. VII-A-07081 in der Ratsversammlung der Stadt Leipzig) erarbeitete der Kommunale Präventionsrat Leipzig gemeinsam mit Mitgliedern des Präventionsnetzwerks eine Print- und Digitalmedienkampagne gegen sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum.
Ziel der Kampagne ist es, auf das Phänomen Catcalling aufmerksam zu machen und eine gesellschaftliche Debatte zu initiieren. Die Kampagnenmotive sollen daher
• über das Phänomen Catcalling aufklären,
• das übergriffige Verhalten von Tätern und Täterinnen aufzeigen,
• die Folgen für Betroffene veranschaulichen und
• zu Aufmerksamkeit im Alltag, selbstreflektiertem Verhalten, respektvollen Umgang miteinander sowie das Einstehen füreinander aufrufen.