Katharina Schenk
Mein Weg in den Leipziger Stadtrat
Mein Weg war klassisch, über die Parteijugend der SPD, die Jusos. Wenn man bei den Jusos ist, dann interessiert man sich eher für die großen Themen: Rente, Hochschulen ... und es dauert eine Weile, bis sich das auf lokale Fragen runter bricht. Ich habe schon bald gemerkt, dass gerade die kommunalen Themen für mich besonders relevant sind. Und so kam es, dass ich unsere Stadträte etwas genauer unter die Lupe genommen habe, Fragen gestellt habe, wissen wollte, wie die Dinge kommunalpolitisch funktionieren.
Gleichzeitig wurde nun bei den Jusos und in der Partei wahrgenommen, dass ich mich für kommunalpolitische Themen interessiere und da ging es ganz schnell, dass ich ermutigt wurde - sowohl von den Jusos selbst als auch von einigen, die bereits Verantwortung in der Partei bzw. in Mandaten trugen, es doch selbst mal zu versuchen als Stadträtin in der Kommunalpolitik. Ganz wichtig war auch mein Partner, der selbst politisch aktiv ist. Er hat mein Interesse für Kommunalpolitik mitgeformt. So war es eigentlich ein Mix aus Interesse, Ermutigung und der Überlegung: Naja, ich würde schon ganz gern etwas für die Gemeinschaft tun und mich einbringen.
Als notorische Fristen-Ausreizerin hat es aber dann noch eines äußeren Anstoßes bedurft. Der kam mit der Ausschreibung zur Listenaufstellung. Da begann mein innerer Monolog: Wenn du es machen willst, dann musst du jetzt mal aus den Puschen kommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch kein Kind und das Promotionsstipendium für einen verhältnismäßig langen Zeitraum. Ich dachte, okay jetzt habe ich die Freiheit, die es braucht, ich versuche es.
Herausforderung Kommunalpolitik
Kommunalpolitik ist wie mein Tagesablauf. Wenn ich morgens aufstehe, möchte ich, dass das Licht brennt und warmes Wasser aus dem Hahn läuft - hierfür ist die Kommune verantwortlich. Dann bringe ich mein Kind in die Kita - dass ich einen Betreuungsplatz in Anspruch nehmen kann und das hoffentlich auch nicht allzu weit weg von meiner Wohnung - dafür trägt die Kommune Sorge. Auf dem Weg dahin fahre ich mit dem Rad und wünsche mir einen sicheren Radweg ohne fehlenden Gullydeckel und Schlaglöcher - zuständig wieder die Kommune. Mein Kind weiß ich in guter Obhut, so dass ich frohen Herzens zur Arbeit fahre. Dass es attraktive wohnortnahe Arbeitsplätze gibt, auch dafür trägt Kommune Verantwortung. In meiner Mittagspause möchte ich neue Kraft schöpfen - schön, wenn ich dann mit wenigen Schritten in einen nahen Park laufen und mich auf einer Parkbank niederlassen kann, noch schöner, wenn die Grünanlage gepflegt ist. Nach getaner Arbeit hole ich mein Kind wieder ab und gehe mit ihm noch eine Stunde auf den Spielplatz, den die Kommune hoffentlich gut in Schuss hält, oder ich fördere die Freude meines Kindes am Musizieren, indem ich ein Angebot der kommunalen Musikschule nutze. Einkaufen muss ich auch noch und damit das nicht so weit ist, dass ich mit dem Auto fahren muss, bin ich froh, dass gar nicht weit weg von meiner Wohnung ein Einkaufszentrum seinen Platz gefunden hat, das sich dezent in die Umgebungsbebauung einpasst und nicht das ganze Stadtbild verschandelt. Abends gehe ich gern mal in die Oper, dorthin fahre ich mit der Straßenbahn (kommunaler Eigenbetrieb) oder besuche eine der vielen spannenden Veranstaltungen im soziokulturellen Zentrum gleich bei mir ums Eck (der kommunalen Kulturförderung sei Dank!). Die Straßenbeleuchtung brennt, wenn ich mich auf den Heimweg mache - bei den kommunalen Stadtwerken arbeitet also noch jemand ... All das sind Themen für Kommunalpolitik; sie ist sozusagen allgegenwärtig ...". Das macht ihren Reiz und meine Motivation aus.
Neben der Angewohnheit, selbst mit wachem Blick durch die Stadt zu radeln, mache ich regelmäßig Bürgersprechstunden, bitte via facebook und twitter um Themen, die den Leuten unter den Nägeln brennen, besuche Vereine oder mache auch außerhalb der Wahlkampfzeiten Infostände, zum Beispiel zum Internationalen Frauentag, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, um Ideen aufzunehmen. Aus diesem Dialog stammen die meisten Anstöße. Beispiel: In der Schwimmhalle, in die ich mittwochs gehe, unterhielt ich mich mit einer älteren Frau, die klagte, dass es auf dem Parkplatz ja zappenduster wäre, man sich fürchten müsse. Stimmt, dachte ich. Ich kann doch versuchen, für den Parkplatz Laternen zu beantragen und nun stehen sie da. Das ist kein Einzelfall; es gelingen wirklich häufig Lösungen.
In der Wahlkreisarbeit stehen häufig "Privatthemen" auf der Tagesordnung - eben wie die Laternen auf dem Schwimmhallenparkplatz. Das kann man kritisieren, weil das scheinbar keine "richtige Politik" ist. Aber aus meiner Sicht hat das seine Berechtigung, weil sich hier die Lebensqualität für jeden einzelnen verdeutlicht und dafür müssen sich Kommunalpolitikerinnen einsetzen. Natürlich muss dann aber auch das große Ganze gesehen werden: nicht jeden Radweg einzeln beantragen, sondern eher ein Entwicklungskonzept für ein Radwegenetz oder ein Konzept für Straßenbeleuchtung erarbeiten.
Herausfordernd ist, dass Kommunalpolitik als Stadträtin ein Ehrenamt ist. Das bedeutet Zeit, die man einbringt, nicht nur in die Stadtratssitzung, sondern auch in die Ausschusssitzungen, die Arbeit in der Fraktion. Einerseits ist es charmant, dass es ein Ehrenamtsparlament ist, denn so sitzen quasi ganz normale Arbeitnehmer im Sitzungssaal, andererseits bringt das eben auch Nachteile. Einen Nachteil sehe ich in der sozialen Selektion in Hinblick auf die Zusammensetzung des Stadtrates. Mitmachen können und wirklich dabei sein - das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Man muss es sich ja leisten können Zeit zu haben, um Sitzungen vorzubereiten oder schon um 14 Uhr in der Stadtratssitzung zu sein.
Was sollte eine Stadträtin mitbringen?
In meiner Welt sollte eine Stadträtin sehr kommunikativ sein. Sie sollte in der Lage sein, sich gut zu strukturieren, anderen in Sachentscheidungen zu vertrauen und sich zu motivieren, Sachverhalte zu erschließen, die sie noch nicht kennt.
Idealerweise prägt sie für die entscheidungsrelevanten Themen in ihrem Arbeitsbereich eine Haltung aus, vertritt nicht nur eine individuelle Meinung, sondern hat sich nach Austausch, Information und Abwägung einen Standpunkt erarbeitet - das ist ein wichtiger Anspruch, um zu gut vertretbaren Entscheidungen in der Kommunalpolitik zu kommen.
Dann muss ich eine demokratische Grundhaltung ausbilden. Wenn ich mich politisch engagieren will, dann muss ich nicht alles, was eine Partei oder deren Jugendorganisation sagt, gut finden. Das ist eher wie bei einer Wohnung; man entscheidet sich dann doch für die Wohnung ohne Balkon, weil alle anderen Kriterien stimmen. Denn nach der Ideallösung für den Einstieg in Politik zu suchen, das hat keinen Erfolg. Die Ideallösung ändert sich sowieso mit der sich ändernden Lebensperspektive. Neben der inhaltlichen Nähe ist es auch eine Kulturfrage. Das darf man nicht unterschätzen. Man muss sich in der Partei, in der man arbeitet, eben auch wohlfühlen.
Unterstützungsmechanismen
Umso größer eine Fraktion ist, umso besser kann man Arbeit aufteilen, hier ist eine gut funktionierende Fraktionsgeschäftsstelle das Rückgrat. Arbeitsteilung in der Kommunalpolitik ist einfach wichtig. Eine funktionierende Arbeitsteilung basiert auf Vertrauen, man muss seinen Kolleg/-innen, die im jeweiligen Ausschuss zu dem Thema beraten haben, vertrauen, denn es ist unmöglich, alle Vorlagen mit derselben Sorgfalt zu lesen, zu prüfen und sich eine Expertise anzueignen. Das ist gleichzeitig eine Herausforderung, weil man ja auch in der Partei oder der Fraktion nicht immer einer Meinung ist. Deshalb braucht es natürlich auch Freunde, die einem vieles erklären, die man einfach ansprechen kann.
Drei Gründe für ein kommunalpolitisches Engagement
Frauen sind Teil der Gesellschaft und wenn nur Männer die Gesellschaft formen, dann ist es eben eine männliche Gesellschaft. Das war die letzten Jahrzehnte so und wenn man das anders möchte, dann muss man eben selbst anpacken. Die Sicht auf kommunalpolitische Themen unterscheidet sich nach den verschiedenen sozialen Gruppen in der Stadt, eben auch nach Geschlecht. Je mehr dieser unterschiedlichen Sichtweisen und Erfahrungen in kommunalen Entscheidungsprozessen vertreten sind, umso besser. Insofern bin ich eine Verfechterin von Vielfalt, dazu gehören auch Frauen und die sollen in jedem Fall sichtbar sein in ihren Entscheidungen.
Darüber hinaus gibt es Entscheidungsprozesse, die durch eine feministische Perspektive bereichert werden. Ich selbst würde mich als Feministin bezeichnen, obwohl es keine Voraussetzung für Kommunalpolitik ist. Feministin sein heißt für mich, anzuerkennen, dass es einen männlich geprägten Diskurs in der Gesellschaft gibt, anzuerkennen, dass man sich als Frau für die eigenen Interessen und Lebenslagen einsetzen muss und das solidarisch mit anderen Frauen.
Letztlich ist es eine Form von innerer Freude, dass man an der Demokratie so direkt mitwirken kann, nicht immer nur wegen des Inhalts, sondern auch wegen der Form. Man bestimmt einen Prozess mit, das Wie. Außerdem geben einem sich positiv entwickelnde Lieblingsprojekte immer wieder neue Kraft, zum Beispiel bei der Kulturlandschaft. Egal wo ich wann wo langgehe: Ich finde es immer wieder schön zu sehen, was ich an diesem Tag, an diesem Abend alles in der Stadt unternehmen könnte. Und das motiviert mich, immer wieder neu zu denken, wie man diese vitale Leipziger Szene unterstützen kann. Gerade die vielfältige Kultur- das macht Leipzig für mich aus.
Kurzportrait
persönlich: Katharina Schenk, Jahrgang 1988, M.A. Philosophie, Angestellte, verheiratet, ein Kind
parteipolitisch: SPD-Fraktion im Leipziger Stadtrat, Beisitzerin im Fraktionsvorstand, Mitglied der SPD, Mitglied im SPD-Landesvorstand
kommunal: Stadträtin seit 2014, Wahlkreis 0 (Zentrum, Zentrum-Ost, Zentrum-Nord, Zentrum-Nordwest, Zentrum-West, Zentrum-Süd, Zentrum-Südost, Marienbrunn); Ausschussmitglied im BA Kultur, FA Kultur und Jugendhilfeausschuss