Mariannenpark
Ein attraktives Umfeld für Ruhe und Entspannung gewähren die vom Frühling bis zum Herbst leuchtend blühende Stauden-Mulde, das einladende Abschlussrondell der Rot-Eichen-Allee oder der duftende Rosengarten. Zum Herumtollen und Spielen gibt es zwei Spielplätze, eine riesige Tummelwiese und den stadtweit bekannten Rodelberg. Für Sportbegeisterte stehen Sportfelder zum Fußballspielen und für die Leichtathletik zur Verfügung. Auch die Liebhaber seltener Pflanzen kommen auf ihre Kosten.
Der Mariannenpark ist Ausgangspunkt eines reizvollen Wanderweges entlang der Parthe.
Wenn man von geringfügigen Veränderungen absieht, ist die gesamte Anlage des Mariannenparks als seltenes und bedeutendes Beispiel eines Volksgartens im architektonischen Stil des frühen 20. Jahrhunderts erhalten geblieben. Da es in Deutschland kaum noch vergleichbare, relativ unverfälschte Volksparks dieser Größenordnung gibt, wurde der Mariannenpark 1991 als Denkmal der Garten- und Landschaftsgestaltung in die Kulturdenkmalliste des Landes Sachsen aufgenommen. Dabei wurde auch der im Norden angrenzende Schlosspark Schönefeld mit Schloss sowie die Kirche und das Grab der Familie von Eberstein einbezogen.
Der Mariannennpark ist ein wichtiges Beispiel für das politische und gesellschaftliche Verhältnis zur Zeit der Reformtendenzen. Seine künstlerische Bedeutung drückt sich durch die spezifische regelmäßige Durchgestaltung aus, durch eine geschickte Kombination von Gestaltungselementen wie Treillagen oder Treppen mit einer interessanten Pflanzenauswahl. Das Neue an den deutschen Stadtparkkonzeptionen zu Beginn des 20. Jahrhunderts war eine Raumkunst ohne Kompromisse, eindeutige Strukturen ohne Zwischentöne wurden angestrebt. Freie Flächen wie beispielsweise die Tummelwiese oder die Sportplätze wurden im Gegensatz zu den Parkanlagen des 19. Jahrhunderts nun größer, klar begrenzt und eben ausgeführt. Der Mariannenpark als Ort zur Erholung für „alle Volksschichten“ ist Ausdruck eines neuen Denkens und Ergebnis von reformorientierten politischen und gesellschaftlichen Haltungen. Der Park repräsentiert daher eine bestimmte geschichtliche Phase mit der ihr eigenen Vorstellung von sozialer Verantwortung.
Weitere Informationen
Clara Hedwig Baronesse von Eberstein auf und zu Schönefeld (1816-1900) verfügte 1881: „zur Forthülfe und Versorgung unbemittelter Töchter höherer Civil-Staatsbeamter und Militärs ein Asyl und Freistätte unter dem Namen von Eberstein´sches Mariannenstift zu Schönefeld zu errichten“. Außerdem sollte der herrschaftliche Park, „ingleichen die alte schöne Lindenallee und – worauf mein Wunsch besonders gerichtet ist - das Stück Feld westlich der Allee so lange als möglich unbebaut – zum Rittergute und dem Stifte für alle Zeiten erhalten bleiben“.
Schon damals war die in dem Schriftstück bezeichnete Lindenallee sehr alt. Sie wurde 1621 und 1622 auf Veranlassung von Hans Moritz von Thümmel angelegt und verband das ehemalige Schönefelder Schloss mit Volkmarsdorf und der Stadt Leipzig.
Bereits drei Jahre nach dem Tod der Baronesse beschloss der Gemeindevorstand von Schönefeld, „das westlich der Lindenallee gelegene Feld als Park oder durch Anpflanzung parkähnlich herzurichten“. Mit dem Kuratorium der Mariannenstiftung wurde ein Erbpachtvertrag auf 99 Jahre „mithin bis zum 31. Dezember 2010“ geschlossen. Die Vergabe der Planungs- und Durchführungsaufträge für die Gestaltung des Parks war umstritten. Der vom damaligen Leipziger Gartendirektor Carl Hampel vorgelegte Entwurf fand zwar die Zustimmung des Gemeinderates von Schönefeld, nicht jedoch die vom Kuratorium des Mariannenstiftes. Die Entscheidung für das Projekt des wesentlich jüngeren Reformanhängers Leberecht Migge sollte wenige Jahre später noch für einige Verstimmungen sorgen.
Vom Ursprung des Parks bis zur Eingemeindung
Unkonservativ und mit deutlicher Ausrichtung auf die Bedürfnisse aller Schichten begann Migge 1913 mit der Umsetzung seines Entwurfs. Schutt und Asche wurden für den künftigen Rodelberg abgelagert, Vereinbarungen mit einem Sandgrubenbetrieb geschlossen, um den beabsichtigten Teich- und Rodelbergbau zu regeln. Zeitweise waren bei der Gestaltung des Parks bis zu 215 arbeitslose Schönefelder beschäftigt.
Noch vor dem Ausbruch des I. Weltkriegs im August 1914 bat Migge die Gemeinde Schönefeld um die Abnahme der Flächen, „nachdem die Pflanzungen und Rasenflächen der ersten Ausführung sämtlich fertiggestellt sind“. 1915 wurde Schönefeld eingemeindet. Damit fiel auch der Volkspark Schönefeld in die Amtshoheit des Leipziger Gartendirektors Carl Hampel, dessen Entwurf für den Mariannenpark 1913 abgelehnt worden war.
Der Mariannenpark unter der Obhut der Stadt Leipzig
1915 erfolgte die von Gartendirektor Carl Hampel betriebene Auflösung des Vertrags mit Migge. In der Begründung gegenüber dem Stadtrat hieß es: “Leipzig bedarf eines solchen Beraters nicht, da ihr Sachverständnis in den Beamten ihrer Gartenverwaltung zur Verfügung stehen“.
Während der Kriegsjahre wurden im Mariannenpark nur noch Maßnahmen zur Pflege des bereits fertiggestellten Geländes und Vorbereitungsarbeiten für die zweite Parkhälfte durchgeführt. Auch 1919 musste die Vollendung wegen fehlender Arbeitskräfte und Materialien wieder verschoben werden. 1920 trat Gartendirektors Hampel in Ruhestand, sein Nachfolger war Nicolaus Hermann August Molzen. Molzen überarbeitete die Pläne, bemühte sich aber, die Formensprache von Migge aufzunehmen. Im April 1928 konnte der Mariannenpark endgültig fertiggestellt werden.
1931 wurde der Volkspark Schönefeld in Mariannenpark umbenannt. Zwei Jahre später wurde der Mariannengedenkstein errichtet. Während des II. Weltkrieges verschanzten sich etwa 200 „Volksstürmler“ im Park. Auf dem Rodelberg und den davor liegenden Wiesen brachten sie Flakgeschütze in Stellung. Dennoch überstand der Mariannenpark den Krieg ohne größere Schäden.
1952 wurde die Parkpflege durch den VEB Garten- und Landschaftsbau übernommen und erste Veränderungen eingeleitet. So der Bau des Reichsbahnkinderwochenheims 1954 im nordöstlichen Parkteil. Anlässlich der Festwoche „15 Jahre DDR“ wurde auf dem Gelände des Vereinsrasens die Freilichtbühne aufgebaut. Eine FDJ-Gruppe der Bauhochschule plante unter Mithilfe der Betriebe des Stadtbezirkes ab Mitte 1972 den „Thälmann-Ehrenhain“. Der Rat des Stadtbezirkes beabsichtigte, „hier ein geistig-kulturelles und sportlich-touristisches Zentrum zu schaffen“. Ende der 70ger Jahre wurden aus Anlass des Sportfestes ein Großschachfeld, Tischtennisplatten, Anlagen für Minigolf, Pendelbahn und andere Sportgeräte aufgestellt. Die Freilichtbühne wurde 1978/79 neu gestaltet und die Gaststätte „Treffpunkt Parthenaue“ eingeweiht.
Trotz der baulichen und gestalterischen Veränderungen ist der Charakter des Volksparks in seinen wesentlichen Strukturen erhalten geblieben. Jedoch sind bedeutende und wichtige Elemente verloren gegangen: So sind zum Beispiel die mit Rosen oder Hainbuchen bewachsenen attraktiven Treillagen verschwunden. Auch Blumenpartien, die Gehölzartenmischung und die durch Alleen, Baumreihen und Hecken einst gestalteten Räumlichkeiten sind heute reduziert oder verändert.
Migge wurde als zwölftes von dreizehn Kindern einer Danziger Großkaufmannsfamilie am 20.3.1881 geboren. Nach einer Gartenbaulehre war er bei der Hamburger Gartenbaufirma Jacob Ochs von 1904 bis 1913 tätig.
Seine Planungen, Publikationen und Ausstellungen lassen bereits die intensive Auseinandersetzung mit der Gartenstadtbewegung in Deutschland erkennen. Eine Reise nach England verstärkte die Hinwendung zur Gartenkultur der Kleingärtner und Siedler.
1913 gründete Migge sein eigenes Büro und veröffentlichte das Buch „Die Gartenkultur des 20. Jahrhunderts“. Entsprechend seinem Verständnis von sozialer Verantwortung wies er auf die Bedeutung von Kleingärten, Volksparks und Siedlungen für die arbeitende Bevölkerung als Ausgleich für unbefriedigende Wohn- und Lebensbedingungen hin.
Seine Entwürfe als Planer und Projektant beruhen auf den Prinzipien der Einfachheit, Brauchbarkeit, Wirtschaftlichkeit und Schönheit. Migge beteiligte sich an der Internationalen Baufachausstellung in Leipzig 1913, wobei erste Kontakte mit dem Kuratorium der Mariannenstiftung entstanden. Migge wurde daraufhin mit der Planung des Parks beauftragt. Mit seinen Projekten und Veröffentlichungen setzte Migge Maßstäbe in der Gartenstadtentwicklung Deutschlands.
Er starb am 30.5.1935.
Die Qualität der deutschen Stadtparkanlagen beklagte Migge 1913 in seinem Lehrbuch „Die Gartenkultur des 20. Jahrhunderts“: „...diese waren im wesentlichen Schaustücke und innerlich tot – dekoratives Grün“. Er forderte: „Der ideale Volkspark muss von allen Volksschichten einfach alles das wiedergeben, was unser Großstadtleben als solches ihm vorenthält.“
Seit Beginn des 15. Jahrhunderts besaß die Familie Thümmel das Rittergut Schönefeld bei Leipzig. Nach den Verwüstungen im Dreißigjährigen Krieg ließ Georg H. v. Thümmel das Schloss in barocker Form wieder errichten.
1794 kam das Rittergut in den Besitz der Familie Schneider, später von Eberstein. Während der Völkerschlacht wurden das Schloss und der reich ausgeschmückte Barockpark dem Erdboden gleichgemacht.
Von 1871 bis 1876 erfolgte der Neubau des Schlosses unter Baronesse Clara Hedwig Freiherrin von Eberstein. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts ließ sie den Park nach landschaftlichen Gesichtspunkten umgestalten.
In ihrem Testament verfügte die Baronesse, dass mit dem größten Teil ihres Besitzes die Mariannenstiftung ins Leben gerufen werden sollte, benannt nach ihrer Mutter, Marianne Freifrau von Eberstein.
Heute beherbergt das Schloss eine Förderschule für behinderte Kinder. 1969 wurde die Schwimmhalle und 1976 der Kindergarten auf dem Gelände des Schlossparks errichtet.