Pontius, Gudrun - Leipziger Frauenporträts
Gudrun Pontius © Maria Güttler Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Kunst
geboren/ gestorben
25. April 1944 (Saßnitz) - 6. Januar 1999 (Berlin)
Zitat
"Vielleicht müsste ich wirklich Bilder für Wohnzimmer malen. Dafür, dass Menschen, wenn sie müde und ausgelaugt nach Hause in ihre Räume kommen, auf ein Bild sehen, dass ihnen in ihrem täglichen Trott immer wieder Quelle von Freude und Schönheit bedeutet. Etwas muss darin sein, das uns an Ewigkeit und Unabhängigkeit vom Zeitlichen erinnert. Etwas, das uns herauslöst, was uns über das äußere Abbild weit hineinführt in unsichtbare Welten."
(In: Sophia Pontius, Seiten 90/91)
Kurzporträt
Das eigene Weltbild zu formen, war der innere Auftrag, dem Gudrun Pontius folgte. Sie verband klare sachliche Konstruktion mit poetischer und symbolischer Bildfindung. Mit den 1990er Jahren setzte ein Stilwandel ein. Die neuen Bilder erscheinen in einer archaisierenden Zeichensprache, die innere Monumentalität besitzt.
Herkunftsfamilie
- Vater: Friedrich K. Pontius (Verwaltungsangestellter, Kurdirektor in Saßnitz 1936-39, starb im Krieg)
- Mutter: Johanna Emmi Pontius, geborene Ehrhardt, Kindergärtnerin (1913-2006)
Biografie
Gudrun Pontius - oft still in sich zurückgezogen - suchte das Gespräch und es konnte sein, dass ihr alles Lebendige wichtiger war als die Bilder. Eins der ersten, bald nach Beendigung des Studiums an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig gemalt, heißt "Dialog" - ein Dialog zwischen Christrosen und ausgestopftem Vogel auf dem Fensterbrett drinnen mit ihren Gegenspielern draußen, zugleich ein Wechselgespräch zwischen Gefangenschaft und Freiheit, zwischen Leben und Tod, Natur und Kultur, Elementarem und Magie; Kristallprisma und sprießende Topfpflanze vervollständigen das symbolträchtige Ensemble. Sachlichkeit verbindet sich mit Poesie, Klarheit des Ausdrucks mit Innigkeit des Gefühls.
Am 25. April 1944, in das Endstadium des Zweiten Weltkrieges hineingeboren, der sie und ihre beiden Brüder um den Vater brachte, wuchs Gudrun Pontius in Thüringen, der Heimat ihrer Mutter auf, einer leidenschaftlichen Kindergärtnerin, ausgebildet in einem Fröbel-Seminar. Ihr wollte die Tochter folgen, wurde jedoch aus parteidoktrinären Gründen gehindert. Nach dem Abschluss der Fachschule für Spielzeuggestaltung in Sonneberg und dem Besuch der Abendakademie der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst, nahm sie 1966 das reguläre Studium dort auf und beendete es 1972 mit dem Diplom. Wolfgang Mattheuer und Werner Tübke zählten zu ihren Lehrern; bei dem einen schätzte sie die Detailgenauigkeit, bei dem zweiten die große, zwischen Intellektualität und Romantik changierende Form. Sie gehörte zu den erfolgreichen Absolvent/-innen ihres Jahrgangs, nicht zuletzt wegen des als programmatisch wirkenden Bildes "Dialog" und ihrer ersten großen Landschaften.
Thüringen, wo Gudrun Pontius aufwuchs und wohin sie sich immer wieder mit ihren drei Kindern zurückzog, aber auch die Stadt Leipzig, wo sie seit Studienzeiten wohnte, boten ihr unspektakuläre Sujets. Außerdem entstanden berührende Porträts ihr nahestehender Menschen und Kinderbilder am Meer, die eine Affinität zu Karl Otto Runge besitzen, neben Caspar David Friedrich der zweite Romantiker, der sie von Kindheit her beeindruckte. Zu den elegischen Darstellungen des Lebens gesellten sich bald Bilder von der Zerstörung der Natur, wie zum Beispiel die kompromisslose "Lobensteiner Landstraße". Zwischen den gefällten, zersägten Linden einer einst mächtigen Allee windet sich die Straße, die alles zerstören und beherrschen wird. Da ein persönlicher energischer Einspruch der Malerin gegen die Abholzung der Allee nichts brachte, blieb ihr nur die Möglichkeit, ihren Kummer über das barbarische Geschehen ins Bild zu setzen. Die umweltkritische Haltung setzte sich fort in Darstellungen mit abgebrochenen oder kahlen Bäumen, grauen Stadtbildern, der Schutthalde, dem ironischen Verkehrsgarten. Versenken in Details und in Träumereien, aber auch kafkaeske Situationen evozieren Radierungen zu literarischen Werken von Boris Pasternak oder Tschingis Aitmatow. In DDR-Zeiten entstanden, galten schon diese Namen als Zeichen von Opposition.
Das Umbruchgeschehen von 1989 sieht Gudrun Pontius im Neuen Forum. Sie gehört zu den Mitbegründerinnen der Produzentengalerie Trespe und der neuen GEDOK-Gruppe Leipzig/Sachsen e. V., einer gesamtdeutschen Künstlerinnenvereinigung, die hier schon von 1930 bis 1945 existierte.
Ihre künstlerische Arbeit erfährt eine entscheidende Veränderung: Nun füllt die menschliche Figur in symbolischer Bedeutung und Handlung die Tableaus. Auch die technischen Mittel wandeln sich mit den Möglichkeiten und finanziellen Problemen der neuen Situation. Diese lindert eine temporäre Anstellung beim Amt für Umweltschutz Leipzig von 1994 bis 1997 kaum.
Statt der zeitraubenden lasierenden Ölmalerei bedient sie sich jetzt vorwiegend der Pastellkreiden. Die geschlechtslosen Gestalten in oft dramatischen Posen stehen im Bann der Neuen Wilden. Eine große Knieende ("Riss") belegt die Auseinandersetzung mit dem Werk Paula Modersohn-Beckers. Jetzt bannt sie die aufs Äußerste reduzierten Figuren der Fallenden und Aufsteigenden, Tanzenden, Trauernden, gegen Schatten Kämpfenden, das Licht Sehenden, ins Wasser Springenden auf Papier oder Leinwand. Der Gegensatz von Rot und Blau verbindet sich mit dem Zitat von Feuer und Wasser. Bilder des Eintauchens und Untertauchens entstanden, Freude und Ängste vereinend, nach einem Aufenthalt auf der vulkanischen Insel Alicudi im Tyrrhenischen Meer mit anderen Malerinnen und der Ethnologin Godula Kosack, der Initiatorin dieser Reise. Von Frankfurt am Main war diese nach Leipzig gezogen und konnte mit Gudrun Pontius gemeinsame Erinnerungen an die Schulzeit in Ebersdorf, Thüringen austauschen. Godula Kosack bezog sie in ihre Feldforschungen bei den Mafas in Kamerun und in ihre Erkenntnisse über Hexenverfolgungen ein, was sich in neue Bildfindungen umsetzte. Die Arbeit an dem Gemälde "Auf dem Scheiterhaufen" war für die Malerin "ein Wegweiser auf der Suche nach meiner verschütteten Identität als Frau", schrieb sie (Kosack, Seite 215). Außerdem entstanden 27 Illustrationen zu einem Afrika-Tagebuch. Die geplante gemeinsame Reise nach Kamerun machten Krankheit und früher Tod der Künstlerin zunichte.
Werke
- Alter Mann und Mädchen, 1968, Öl/Hartfaser, 29,5 x 24,3, Sparkasse Leipzig
- Hohe Straße 30, 1969, Öl/Hartfaser, 38,7 x 29 Zentimeter, Sparkasse Leipzig
- Jugendliche am Meer, 1972, Öl/Hartfaser, 97 x 136 Zentimeter
- Park im Winter, 1972, Öl/Leinwand, 31,8 x 40 Zentimeter
- Vorfrühling, 1973, Öl, 60 x 82 Zentimeter
- Oktober, 1973, Öl, 64 x 82 Zentimeter
- Dialog, 1974, Öl/Hartfaser, 59,5 x 76 Zentimeter
- Spielplatz am Meer, 1974, Öl/Hartfaser, 64 x 83 Zentimeter
- Abendlandschaft, 1976, Öl/Hartfaser, 34,5 x 47,5 Zentimeter, Angermuseum Erfurt
- Lobensteiner Landstraße, 1976, Öl/Hartfaser, 66 x 89 Zentimeter, Angermuseum Erfurt
- Verkehrsgarten, 1976, Öl/Hartfaser, 34,5 x 47,5 Zentimeter, Lindenau-Museum Altenburg
- Karin, 1977, Öl/Hartfaser, 66 x 47,5 Zentimeter, Museum Junge Kunst Frankfurt/Oder
- Drei Bäume, 1977, Öl/Hartfaser, 46 x 63 Zentimeter, Lindenau-Museum Altenburg
- Schutthalde, 1978, Öl/Hartfaser, 62 x 81 Zentimeter, Kunstsammlungen Chemnitz
- Trabant am Meer, 1975/80, Öl/Hartfaser, 59 x 69 Zentimeter
- Spielende Kinder, 1981, 125 x 165,5 Zentimeter, Museum der bildenden Künste Leipzig
- Eine Landschaft - gefährdete Umwelt, 1981, Öl/Hartfaser, 133,5 x 170 Zentimeter, Kunstsammlungen Gera
- Landschaft mit Regenbogen, 1981, Öl/Hartfaser, 76 x 96,5 Zentimeter, Sparkasse Leipzig
- Stadtlandschaft mit Kugel und Vogel, 1981, Öl/Hartfaser, 85 x 84,8 Zentimeter, Angermuseum Erfurt
- Stillleben mit Kugel und Kristall, 1986, Öl/Hartfaser, 49,5 x 61,5 Zentimeter
- Große rote Figur, 1988, Öl/Hartfaser, 168,5 x 133 Zentimeter
- Trauernde, 1993, Pastell/Gouache/Papier, 68,5 x 93 Zentimeter
- Roter Fallender, 1993, Öl/Leinwand, 90 x 70 Zentimeter
- Gebeugter, 1993, Pastell/Papier, 70 x 100 Zentimeter
- Toleranz, 1993, Pastell/Papier, 70 x 100 Zentimeter
- Tanzende (Rot auf Grau), 1993, Pastell, 100 x 70 Zentimeter
- Kampf gegen Schatten, 1993, Pastell/Papier, 100 x 70 Zentimeter
- Grundloser Tanz, 1994, Pastell/Papier, 100 x 120 Zentimeter
- Spieler, 1994, Pastell/Papier, 78 x 94 Zentimeter
- Trauernde, 1994, Pastell/Papier, 50 x 70 Zentimeter
- Schwimmende, 1996, Pastell, 120 x 160 Zentimeter
- Zwei Figuren, Quadrate durchschreitend, 1997, Pastell, 123 x 156 Zentimeter
- Die Aufsteigende, 1997, Pastell/Acryl, 124,4 x 89,8 Zentimeter;Auf dem Scheiterhaufen, 1997, Pastell/Acryl, 123,6 x 101,6 Zentimeter
- Riss, 1997, Pastell/Acryl, 124,3 x 89,9 Zentimeter
- Gaia, 1997, Pastell/Acryl, 124,5 x 124,5 Zentimeter
- Gemeinsam aus einer Kalebasse trinkend, 1997, Pastell/Acryl, 98,7 x 124,5 Zentimeter
- Zwei Frauen, 1997, Pastell/Gouache, 125 x 116 Zentimeter
Adressen in Leipzig
- 1967-1978: Hohe Straße 30
- 1978-1996: Sasstraße 22
- 1996-1999: Brockhausstraße 6
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Die bessere Hälfte. Malerinnen aus Leipzig. Herausgeber: Stadt- und Kreissparkasse Leipzig (Barbara John). Leipzig 2015, Seite 34, 47.
- Kunst, Lehramt für Gymnasien an der TU Dresden 2011.
- Sophia Pontius: Gudrun Pontius - eine ostdeutsche Malerin im Spannungsfeld zwischen Leipziger Schule und Neuorientierung nach 1989. Wissenschaftliche Arbeit im Fach
- Verdichtet - was war - was ist - was wird sein. 20 Jahre GEDOK, Teil II, Herausgeber: GEDOK-Gruppe Leipzig/Sachsen Brigitte Blattmann, Dagmar Zehnel 2011, Seite 56, 65.
- Nur ein bisschen Kunst. Einfachheit als Strategie in der Leipziger Malerei vor und nach 1990 (Meinhard Michael). Herausgeber: Sparkasse Leipzig 2009, Seite 14, 29, 31.
- Godula Kosack: Hexen - Gedenktage. Gehren: Escher Verlag 1999, Cover, Seite 215.
- Das Quartett von Höfgen. Grimma 1998, Seiten 52/53, 152, 163, 181.
- Denkmalschmiede Höfgen, Studiogalerie Kaditzsch. Retrospektive 1993-1998. Katrin Arietta: Gudrun Pontius Malerei. Daniela Weber: Acht Wochen Kunstgemeinsamkeit:
- Frauenverknüpfungen. Künstlerisches Arbeits- und Ausstellungsprojekt 1997. Katalog der Denkmalschmiede Höfgen bei Leipzig 1997.
- Stillen der Seele. Plakat mit Abbildungen von Angelika Dietzel, Petra Herrmann, Gudrun Pontius. Leipzig 1996.
- Katalog der Gemälde. Museum der bildenden Künste Leipzig. Herausgeber von Herwig Guratzsch. Leipzig 1995, Seite 147.
- Faltblatt der Produzentengalerie Trespe. Leipzig 1995.
- Zueinander. Malerei - Installation - Objekte, (Herausgeber) Künstlerinneninitiative ZUEINANDER. Altenburg / Leipzig / Offenburg 1994, Seite 6 (Anneliese Hübscher zu G. Pontius), Seiten 38-41.
- Getrennt vereint. Künstlerinnen aus Leipzig, Hannover, Hamburg, Lübeck, München stellen sich vor.
(Herausgeber) GEDOK Leipzig/Sachsen e.V., Frauen-Anstiftung Hamburg. Leipzig 1994, Seiten 76/77. - Faltblatt der Produzentengalerie Trespe. Leipzig 1993.
- Graphikmesse Sachsen. Herausgeber: Dezernat Kultur und Tourismus. Veranstaltungsbetrieb Dresden 1992, Seite 76.
- Kunstkombinat DDR. Eine Dokumentation 1945-1990. Herausgeber: Museumspädagogischer Dienst Berlin 1990, Seite 103, 104, 106.
- Kunst und Landwirtschaft. Kunst im agra-Park . Leipzig 1989. Seite 19.
- Kunst in Leipzig 1949-1984. Herausgeber: Museum der bildenden Künste Leipzig 1984.
- Zehn Jahre Grafikbörse. (Herausgeber) Verband Bildender Künstler DDR. Leipzig 1982. Seiten 160/161.
- Künstler der DDR. Dresden 1982, Seite 250.
- (Katalog) IX. Kunstausstellung der DDR. Herausgeber: Ministerium für Kultur der DDR, Verband Bildender
- Karin Thomas: Die Malerei in der DDR. 1949-1979. Köln: DuMont 1980, Seite 131, 216.
- (Katalog) 10. Kunstausstellung des Bezirkes Leipzig. Herausgeber: VEB Seemann Verlag 1979, Rat des Bezirkes Leipzig Seiten 113/114.
- Wolfgang Hütt: Grafik in der DDR. Dresden: VEB Verlag der Kunst 1979, Seite 357, 392.
- Radierung und Kupferstich im Bezirk Leipzig. Herausgeber Lindenau-Museum Altenburg 1979, Seite 87.
- Kunst im Dialog. Die "VIII." und die Öffentlichkeit. Herausgeber: Georg Kretschmann. (Berlin) 1978, Seite 56, 110, 144, 165.
- Fünf junge Künstler. Mit Text von Karla Bilang. Herausgeber: Galerie am Sachsenplatz, Leipzig 1978, Seiten 26-33.
- Factum. Informationsblatt des Bundes Bildender Künstler Leipzig, Heft 11/12, 1977.
- (Katalog) VIII. Kunstausstellung der DDR. Herausgeber: Ministerium für Kultur, Verband Bildender Künstler der DDR. Dresden 1977, Seite 150.
- (Katalog) 9. Kunstausstellung des Bezirkes Leipzig. (Herausgeber) Museum der bildenden Künste Leipzig 1974, Seite 63, 164.
- Leipziger Gegenwartskunst in Kiew. (Herausgeber) Verband Bildender Künstler DDR. Leipzig 1976 (russisch).
- Lithografie im Bezirk Leipzig. Herausgeber: Lindenau-Museums Altenburg 1975, Seite 26.
- (Katalog) 9. Kunstausstellung des Bezirkes Leipzig. Herausgeber: Museum der bildenden Künste Leipzig 1974, Seite 164.
Autorin: Rita Jorek 2015