Viecenz, Gerda, geborene Fuchs - Leipziger Frauenporträts
Gerda Viecenz, 2004 © Armin Kühne Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Kunst
- Politik
geboren/ gestorben
29. März 1944 (Oppeln, heute: Opole/Polen) - 13. November 2005 (Leipzig)
Zitat
„… eine Frau, die immer das notwenige Naheliegende tat, während sie sich gleichzeitig für den Rest der Welt zuständig fühlte.“
(Gisela Hoyer über Gerda Viecenz in: LVZ vom 15.11.2005).
Kurzporträt
Gerda Viecenz engagierte sich als Leipziger Kulturpolitikerin vor allem für die Lebens- und Arbeitsbedingungen bildender Künstler/-innen. Mit dem Kunstkaufhaus (1997-2005), das deutschlandweit bekannt wurde, schuf sie eine einzigartige Ausstellungs- und Verkaufsplattform jenseits des etablierten Kunstbetriebes.
Herkunftsfamilie
- Mutter: Eva Marie Fuchs, geborene Apfeld (1907-1976)
- Vater: Arthur Paul Fuchs (1878-1947)
- Vier Geschwister
Biografie
Im schlesischen Oppeln geboren, das die deutsche Familie nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 verlassen musste, wuchs Gerda Fuchs gemeinsam mit vier Geschwistern in Kamenz und Königsbrück auf. Durch den frühen Tod des Vaters 1947 oblag die Verantwortung für die Familie allein der Mutter. In Dresden absolvierte Gerda Fuchs eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester. Nach kurzer Tätigkeit in diesem Beruf heiratete sie 1965 den Bildhauer Herbert Viecenz (1932-2007), bekam mit ihm 1966 und 1968 zwei Söhne und zog nach Leipzig. Neben den eigenen Kindern betreute sie zu jener Zeit weitere Kinder in ihrem Zuhause.
Seit 1982 war sie im Leipziger Büro des Verbandes Bildender Künstler tätig. Dort kümmerte sie sich vor allem in der Sozialkommission um bessere Wohn- und Arbeitsbedingungen für die Künstler/-innen, ein Engagement, das eng mit ihrem Privatleben verwoben war, da sie unter anderem einen im Alter erblindeten Künstler aufnahm und sich auch für die Künstlerin Angelika Rochhausen und deren Kinder einsetzte.
Ihr von starkem Gerechtigkeitsgefühl geprägtes Handeln führte sie am Ende der 1980er-Jahre zur Politik. Sie war Mitglied des Neuen Forums in Leipzig, als dessen ehrenamtliche Geschäftsführerin in Sachsen sie sich bis 1994 engagierte. Von 1994 bis 1996 war sie sächsische Landessprecherin für Bündnis 90/Die Grünen, ab 1996 Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Kultur bei Bündnis 90/Die Grünen. Parallel dazu wurde sie 1991 die 2. Vorsitzende der IG Medien im Bezirksvorstand Leipzig, später blieb sie im Vorstand von ver.di Sachsen. Zwischen 1992 bis 2001 war sie zudem ehrenamtliche Richterin am Landgericht Leipzig.
Ihre intensive politische Arbeit blieb unmittelbar mit ihrer Berufstätigkeit im Verband Bildender Künstler verbunden. Nach dessen Auflösung 1990 wurde Gerda Viecenz die Geschäftsführerin des neu gegründeten Bundes Bildender Künstler Leipzig e.V.. Intensiv unterstützte sie die Künstler/-innen beim Übergang in die veränderten gesellschaftlichen Gegebenheiten, setzte sich für deren unverzügliche Übernahme in die Künstlersozialkasse (KSK) ein, organisierte Atelierräume, Ausstellungen und Kunstauktionen.
Vor dem Hintergrund veränderter Kunstmarktbedingungen entwickelte sie die Idee des Kunstkaufhauses, das sie 1997 gemeinsam mit Jeannette Rössler (heute Künstlerhaus Hohenossig) gründete und später mit ihrem Sohn Sebastian Viecenz führte. In einer ehemaligen Fabrikhalle in der Leipziger Rosenowstraße 22, ab 2000 in der Zschocherschen Straße 79 a und ab 2005 in der Rosa-Luxemburg-Straße 12-14 bot sie vor allem jenen Künstler/-innen, die durch keine kommerzielle Galerie vertreten wurden, Verkaufs- und Ausstellungsmöglichkeiten und richtete damit den Blick zugleich auf die Vielseitigkeit künstlerischen Schaffens aller Genres in der Region.
Im Kunstkaufhaus stellten unter anderem Elfriede Ducke, Tatjana Petkowa, Christel Blume-Benzler, Ute Hartwig-Schulz, Sigrid Schmidt und Christa Jahr aus. Gerda Viecenz unterstützte die Ausstattung von Büro- und Praxisräumen mit originalen Kunstwerken, die im Kunstkaufhaus auch entliehen werden konnten. Als 1995 die Stadt Schkeuditz dem Bund Bildender Künstler Leipzig anbot, die neu sanierte Friedhofskapelle künftig als Kulturraum zu nutzen, übernahm Gerda Viecenz die Verantwortung und gründete die art Kapella Schkeuditz e.V., die sich seither als Ort für Ausstellungen, Konzerte und soziokulturelle Begegnungen etabliert hat. Auf der Website des Vereins wird an Gerda Viecenz als Initiatorin erinnert. https://artkapella.de/ueber-uns/
Auch für den Erhalt von Kulturdenkmälern setzte sie sich ein. So gehörte sie 1996 zur IG Löffelfamilie, die den Erhalt dieser so benannten historischen, unter Denkmalschutz stehenden Lichtreklame auf dem Gelände des ehemaligen VEB Feinkost Leipzig in der Karl-Liebknecht-Straße 36 ermöglichte.
In Anerkennung ihrer Leistungen wurde Gerda Viecenz 2004 mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland geehrt. Ihr Konzept für ein Kinderweltmuseum in Leipzig konnte sie leider nicht mehr umsetzen. Freund/-innen und Weggefährt/-innen erinnern sich an Gerda Viecenz als eine sozial engagierte, unkonventionelle Wege gehende, hervorragende Netzwerkerin und Unterstützerin, die stets zuerst im Interesse anderer handelte.
Werke
- 1997-2005 Kunstkaufhaus
- 1995 (Mit)Begründerin des art Kapella Schkeuditz e.V.
Adressen in Leipzig
- Sattelhofstraße 29
- Am Forstweg 36
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- 2022 stand ihr Name auf der von der AG Frauenprojekte initiierten Liste mit über 80 Vorschlägen für weibliche Straßennamen in Leipzig
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Wenn die „Kapellenfrau“ läutet… Ein Gespräch mit Gerda Viecenz über zwei Jahre art-Kapella und manches andere. In: Schkeuditzer Bote, 6. Jahrgang, September 1997, Seite 10 - 12
- Trutschler, Stephan: „Leipziger (Bilder) Allerlei“. In: aufwind. Zeitschrift für bündnisgrüne Politik in Sachsen. Februar 2000, Seite 9
- Linke, Dolores: Ein Kunstkaufhaus neu in Plagwitz. In: Viadukt. Die Bürgerzeitung für Möckern und Wahren, Nummer 48, August 2000, Seite 11
- Milbradt ehrt sächsische Bürgerinnen und Bürger. Medieninfomation der Sächsischen Staatskanzlei vom 02.01.2004
- Kunst im Warenhaus? In: Näher dran, Nummer 7, März - Mai 2005, Seite 18
- Hoyer, Gisela: Kultur-Kämpferin voller Eloquenz und Tatkraft. Gerda Viecenz ist tot – Leipziger Kunstkaufhaus am Ende. In: LVZ, 15.11.2005, Seite 9
- Geratewohl, Hermann: Aus für Kunstkaufhaus. In: Leipzigs Neue, 23.12.2005, Seite 20
- Johnsen, Christian: Erinnerungen an Gerda Viecenz. In: 15 Jahre art Kapella Schkeuditz e.V., 2010, Seite 57-60
Autorin: Julia Blume (2022)