Im Rahmen der Internationalen Demokratiekonferenz Leipzig diskutierten Journalisten und Wissenschaftler das Thema "Demokratie als mediale Präsenz? Öffentliche Kontrolle oder kontrollierte Öffentlichkeit."
Die ehemalige taz-Chefin Bascha Mika hat in ihrem Impulsreferat zur Verteidigung des Journalismus als Vierte Gewalt aufgerufen. Die Kontrollfunktion des Journalismus sei immer mehr gefährdet. Schuld daran sei in erster Linie die Krise auf dem Zeitungsmarkt. Die meisten Verleger sähen in den Zeitungen kein schützenswertes Kulturgut, das es zu verteidigen gelte. Dabei hätten gerade Zeitungen für eine demokratische Gesellschaft eine wichtige Funktion. "Es gibt keine Demokratie ohne kritische Öffentlichkeit", so Mika. Zwar habe das Internet die öffentliche Kommunikation entschieden demokratisiert, doch gebe es im Netz keine effiziente Kontrolle und Selbstbeschränkung. Mika sprach sich gegen einen "Export" von Pressefreiheit und Vierter Gewalt aus. "Wenn Vierte Gewalt funktionieren soll, muss sie in jedem Land selbst erkämpft und erstritten werden. Nur dann hat sie die Chance, die Mächtigen wirklich zu kontrollieren".
Zustimmung erntete sie von Stefanie Bolzen, Europa-Korrespondentin der WELT Gruppe. Auch wenn es in Ländern, wie Italien massive Verstöße gegen Monopolstellungen in der Medienbranche gebe, müsse das Presserecht weiterhin Sache der Nationalstaaten bleiben. Prof. Dr. Maté Szabó gab einen Einblick in die Entwicklung der ungarischen Medienlandschaft seit 1989. Die Situation sei natürlich besser als vor der Wende, aber enttäuschend im Verhältnis zu den Hoffnungen vor 89. Bis zur Einführung eines Mediengesetzes 1996 habe es in Ungarn einen regelrechten Medienkrieg zwischen Rechts und Links gegeben. Auch danach sei der Einfluss der Politik nicht geringer, sondern nur geschickter getarnt worden. Die Branche sei weiterhin umkämpft, davon zeugten nicht zuletzt Mordanschläge und Überfälle auf Medienmacher. "Der Kapitalismus hat Wolfsgesetze, wir in Ungarn haben Wölfe ohne Gesetze", so der Budapester Politikwissenschaftler.
In Rumänien hat sich die Lage auf dem Medienmarkt entschieden verbessert. Zu diesem Ergebnis kommt Prof. Dr. Bogdan Murgescu von der Universität Bukarest. Seit 1989 sei eine riesige Medienvielfalt entstanden. Die Presse sei frei, Monopole nicht in Sicht. Dennoch lauerten neue Gefahren für die Presse als vierte Gewalt. So müssten Qualitätszeitungen permanent um ihr Überleben bangen. Das würde zu mehr Oberflächlichkeit und mangelnder Qualität und letztlich zu einer Aushöhlung der Demokratie führen. Ganz anders dagegen die Situation in der Ukraine. Die Medien in der Ukraine seien frei und unabhängig, sagte Mykola Rjabtschuk. Allerdings sei der Medienmarkt chaotisch und noch nicht institutionalisiert. Korruption und kommerzielle Abhängigkeit seien an der Tagesordnung. Hinzu käme, dass es keine Ausbildung für Journalisten gebe. Das größte Problem sieht Rjabtschuk aber nicht bei den Medien, sondern in der Politik. Zwar gebe es unzählige Skandale, die aufgedeckt würden, doch es ändere sich nichts. Die Verantwortlichen reagierten überhaupt nicht, und das sei auf die Dauer frustrierend.
Die Konferenz soll der Stimme der Demokratie, der Gewaltlosigkeit und der Kritik Gehör verschaffen", so Jung in seiner Eröffnungsrede. Zwanzig Jahre nach der Friedlichen Revolution sei zwar viel erreicht, man dürfe den Zustand der Demokratie aber nicht schönreden. Leipzig sei der ideale Ort für eine Bilanz nach 20 Jahren demokratischer Erneuerung und einen kritischen Blick nach vorn.
Der Sächsische Staatsminister des Innern, Markus Ulbig, erinnerte in seinem Grußwort an den "Zauber gelebter Basisdemokratie" vor 20 Jahren. Die besondere Rolle Leipzigs auf dem Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands würdigte der Staatsminister bei der Bundeskanzlerin Hermann Gröhe. "Erst durch die Ereignisse in Leipzig entstand die Chance auf den Fall der Mauer und die Wiedervereinigung".
Prof. Dr. Frank Häuser, Rektor der Universität Leipzig, brachte die wesentliche Frage der 1. Internationalen Demokratiekonferenz auf den Punkt: "Ob und wie das Erfolgsmodell Demokratie im Osten Europas angekommen ist, gilt es zu klären."
Diese und andere Fragen diskutieren in Vorträgen und Podiumsdiskussionen hochrangige Referenten aus Deutschland und dem europäischen Ausland mit jungen Menschen und interessierten Bürgerinnen und Bürgern.
Veranstalter
Die Stadt Leipzig veranstaltet die Internationale Demokratiekonferenz in enger Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Kooperationspartnern, u. a. mit dem Bundesministerium des Inneren, dem Freistaat Sachsen (Sächsische Staatskanzlei, Staatministerium für Wissenschaft und Kunst), der Bundeszentrale für politische Bildung, dem Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, den Universitäten in Leipzig und Halle, dem Theodor-Heuss Kolleg der Robert-Bosch Stiftung, der Bürgerstiftung Leipzig und dem Sächsischen Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen.
Weitere Informationen
- Internationale Konferenz: "Demokratie im 21. Jahrhundert"
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81. Internationale Demokratiekonferenz Leipzig eröffnet
81. Internationale Demokratiekonferenz Leipzig eröffnet title?Nach zwei Tagen mit Vorträgen und kontroversen Diskussionen im Gewandhaus zu Leipzig kamen die jungen Teilnehmer aus Deutschland und dem europäischen Ausland zu Wort. Im Neuen Rathaus trafen sich rund 80 junge Menschen, um die Themen der Internationalen Demokratiekonferenz auf ihre Art zu diskutieren.
Unter der Regie von Referenten des Theodor-Heuss-Kollegs standen insgesamt vier Workshops auf dem Programm. Ein Planspiel in einer fiktiven mitteleuropäischen Stadt beispielsweise konfrontierte die Teilnehmer mit den verschiedenen beteiligten Interessengruppen an politischen Prozessen. In den teils hitzig geführten Debatten im Sitzungssaal des Neuen Rathauses erlebten sie, wie schwer es sein kann, eigene Überzeugungen durchzusetzen.
Gleich nebenan, wo Oberbürgermeister Burkhard Jung unter der Woche die Presse empfängt, plante eine zweite Workshop-Gruppen ihre "Besetzung des öffentlichen Raums" wie 1989. In der Leipziger Innenstadt kamen sie in Aktionen mit den Leipzigerinnen und Leipzigern ins Gespräch. Unter demokratiekonferenzleipzig-web20.blogspot.com diskutierte ein moldawischer Journalist im Chat mit den jungen Konferenzteilnehmern unter anderem darüber, welche Bedeutung das Web 2.0 für die Organisation von zivilgesellschaftlichem Engagement hat und wie sich Informationen aus dem Internet einordnen lassen.
Die jungen Teilnehmer haben in den Workshops die Gelegenheit zum Austausch", erläuterte Nils Zimmermann, Programmreferent beim Theodor-Heuss-Kolleg die Idee des Programms im Neuen Rathaus. "Die Auseinandersetzung mit den Erfahrungen in aus Deutschland und Mittel- und Osteuropa ist nach den Ereignissen 1989 auch heute noch wichtig. Denn die Länder sind auch auf der mentalen Landkarte näher aneinander gerückt."^
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