Herr Zielinski, der Abschied naht - haben Sie schon die große Sause geplant?
Nein, ich finde so große Verabschiedungen unangenehm. Schlecht vorbereitete Reden habe ich genug erlebt (lacht). Ich werde einfach leise gehen am letzten Tag und die Tür zu meinem Büro offen lassen, so wie ich es bereits im Spielzeitheft angekündigt habe.
Wie ist die Gefühlslage nach so langer Zeit am selben Haus?
Ich habe mich mental seit zwei Jahren mit dem Wechsel beschäftigt. Ich fühle mich sogar etwas befreit. Ich freue mich, dass einige Inszenierungen von mir übernommen werden. Und ich gehe ja nicht in den Ruhestand - ich werde wieder als Freiberufler arbeiten.
Theater aus Dornröschenschlaf geweckt
Wie war das damals 2002 - nach Jahren in Tübingen, Hamburg und Berlin - nach Leipzig zu kommen?
Ich wollte ein Theater übernehmen und etwas aufbauen. Theater muss immer etwas mit der Realität zu tun haben, die eine Stadt ausmacht. Und ich wollte eine neue Stadt und die Leute kennenlernen. Das Theater der Jungen Welt befand sich im Dornröschenschlaf und es herrschte oft noch ein gewisser Teeküchensozialismus vor. Da gab es Mitarbeiter, die sagten mir, sie hätten Anrufe gemacht, aber keinen erreicht. Ich habe es dann selbst versucht und das klappte sofort. Erst danach erklärte mir jemand, dass das früher eine gern genutzte Ausrede war, weil es ja nicht so viele Telefonanschlüsse in der DDR gegeben hatte.
Wie haben Sie sich da durchgesetzt?
Nachdem ich eine neue Verwaltungsdirektion aufgebaut und die Technische Leitung ausgetauscht hatte, ging es bergauf. Man muss schnell Erfolg haben, sonst ist man auch schnell wieder weg vom Fenster. Unsere erste Spielzeit hatten wir im Zelt auf dem Jahrtausendfeld - da stand der Bau des Theaters auf der Kippe. Wir haben aber die Zuschauerzahl von 34.000 auf 43.000 erhöht. Das war erstmal ein Pfund. Und zum Beispiel haben wir das Familientheater an den Wochenenden aufgebaut sowie eine Tanztheaterproduktion gemeinsam mit Vivienne Newport entwickelt. Diese wurde kurz darauf zum Augenblick-Festival nach Berlin eingeladen. So wurden wir Schritt für Schritt stärker wahrgenommen.
Erste Wege: Rathaus, Markt, Karstadt
Wie haben Sie damals die Stadt erlebt?
Anfänglich habe ich gar nichts in Leipzig kennengelernt. Ich kannte den Weg zum Rathaus, zum Marktplatz, zu Karstadt - für mehr hatte ich keine Zeit. Nachts hatte ich immer einen Zettel neben dem Bett liegen, um alle Gedanken aufzuschreiben und sie aus dem Kopf zu bekommen, um schlafen zu können. In den ersten ein, zwei Jahren hatte ich außerdem das Gefühl, wieder raus zu müssen, nach Berlin. Das hat sich aber gelegt. Denn Leipzig ist lebendig durch dieses Spannungsfeld von Bürgerstadt und bunter Stadt. Zudem ist Leipzig sehr aufgeklärt - politisch wie kulturell - und es wird gut gestritten. Einer der Gründe, warum ich in Leipzig bleiben werde, auch wenn es sehr weit weg vom Stadion des BVB ist (lacht).
Was waren Höhe- und Tiefpunkte ihrer Zeit in Leipzig?
Was mich mit am meisten geärgert hat: Ich war schon vier Jahre hier, da traf ich auf Leute, denen ich erzählte, ich bin Intendant am Theater der Jungen Welt. Da sagten die, was, das gibt es immer noch? Da hab ich gesagt, na klar, und wir spielen auch abends, dann kommse mal zu uns (lacht). Höhepunkte hatten wir viele, allein die Preise, die wir bekommen haben - den Theaterpreis des Bundes, Preis des Sächsischen Theatertreffens, Sächsischer Demokratie-Preis. Stücke wie der "Juller" nach der Biografie des deutsch-jüdischen Fußball-Nationalspielers Julius Hirsch oder die Farce "Mein Kampf", die Ausrichtung eines internationalen Sommertheaters, das war alles großartig. Am wichtigsten war für mich jedoch der Aspekt, in der Welt angekommen zu sein - mit Gastspielen und auch Kooperationen mit Israel, Georgien oder Japan. Natürlich war diese Entwicklung mit viel Anstrengung verbunden.
"Angst entspricht nicht meiner Grundstruktur"
Was hat Sie mehr geängstigt - rechts Gesinnte, die sich zum Theaterbesuch ankündigen, oder die Corona-Pandemie?
Angst entspricht nicht meiner Grundstruktur. Wir haben damals eine Veranstaltung gegen die Ansiedlung des NPD-Büros ganz in der Nähe des Theaters gemacht. Da haben wir unsere Fenster gegen Molotow-Cocktails gesichert, die Kripo war mit Sprengstoffhunden da, am Eingang stand ein privater Security-Service. Das hat mich nicht verängstigt, ich hatte bereits in Hamburg Drohanrufe erhalten. Corona dagegen hat mich schon verängstigt - ich habe früher viel geraucht und als die ersten Berichte über kollabierende Lungen kamen, habe ich mir Sorgen gemacht. Im Theater haben wir sehr schnell ein Hygiene-Konzept entwickelt und Proben wie auch Vorstellungen abgesagt, Paketlieferungen nicht mehr persönlich angenommen.
Ihre Nachfolgerin Winnie Karnofka muss sich jetzt mit den Folgen von Corona befassen. Was wünschen Sie ihr?
Eine Gelassenheit zu finden, trotz allem, was einen eigentlich in diesem Job auffrisst. Und sich über die richtigen Dinge aufregen, um so Energien zu entwickeln.
Weniger Arbeit, mehr Griechenland
Und was sind Ihre Pläne?
Weniger arbeiten, nur zwei, drei Projekte im Jahr, und dafür öfter in meiner zweiten Wahlheimat Griechenland sein. Und wie bereits angekündigt, ein internationales Kinder- und Jugendtheater-Festival in Sachsen initiieren, das auch abseits von Großstädten zu erleben ist. Im Moment liegt jedoch coronabedingt alles auf Eis, aber so finde ich Zeit zum Lesen, um Projekte zu entwickeln, für den Sportbootführerschein und um mein Neu-Griechisch stark zu verbessern.