Kontakt
ab Montag 2. April)
Büro für Ratsangelegenheiten
Geschäftsstelle Eckart Hien
Telefon: 0341 123-2100
Mail: bfr@leipzig.de
Eckart Hien wird sich künftig als Vertrauensperson offener Fragen rund um die sogenannten herrenlosen Grundstücke in der Stadt annehmen. Zu seinen Aufgaben wird unter anderem gehören, Schlichtungsempfehlungen in den Fällen abzugeben, in denen eine Einigung zwischen der Stadt und Erben nicht erzielt werden kann. Daneben soll er die Qualität der Auf- und Abarbeitung sowie der Neuorganisation von Verwaltungsabläufen rund um Grundstücks- und Erbenfragen durch das Rechtsamt sichern sowie den Oberbürgermeister beraten.
Herr Hien wird eine eigene Geschäftsstelle, angesiedelt im Büro für Ratsangelegenheiten im Geschäftsbereich des Oberbürgermeisters, bekommen. Diese ist ab Montag zu erreichen unter 0341/123-2100 oder per Mail unter bfr@leipzig.de.
Der 69-jährige Hien war bis 31. Mai 2007 Präsident des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig. Er studierte in München Rechtswissenschaften und arbeitete viele Jahre im bayerischen Staatsdienst. 1986 kam er als Richter an das Bundesverwaltungsgericht, im Jahr 2002 wurde er dessen Präsident. Die Universität Leipzig verlieh ihm im Oktober 2006 die Ehrendoktorwürde.
Mehrere Fälle sogenannter herrenloser Grundstücke haben in der Vergangenheit für Aufregung in Leipzig gesorgt. Staatsanwaltschaft und das Rechungsprüfungsamt (RPA) der Stadt überprüfen seit Monaten die damit zusammenhängenden Akten. Der Abschlussbericht des RPA liegt jetzt vor und wird in den kommenden Wochen im Rechungsprüfungsausschuss behandelt. Darüber hinaus haben alle Stadträte das Recht zur Einsichtnahme. Im Mai sollen die Inhalte des Berichts dem Stadtrat vorgestellt werden.
Die wichtigsten Ergebnisse des Prüfberichts und daraus gezogene Konsequenzen im Überblick
- Der Bericht lässt nach wie vor keine Hinweise auf Korruption oder auf eine wie auch immer geartete Systematik im Umgang mit den sogenannten herrenlosen Grundstücken erkennen.
- Insgesamt wurden 754 Akten überprüft, bei 721 Grundstücken wurden seit 1993 durch das Rechtsamt gesetzliche Vertreter bestellt. 411 Grundstücke wurden veräußert. In ca. 160 Fällen wurden Kaufpreiserlöse bereits an Berechtigte ausgekehrt. Die Restbestände sind auf den städtischen Verwahrkonten vorhanden.
- In 565 Fällen findet sich in den Akten kein Hinweis auf eine Eigentümerrecherche durch das Rechtsamt selbst. Diese hat aber möglicherweise in anderen Ämtern stattgefunden, so z. B. im Zusammenhang mit Bodensonderungsverfahren durch das Amt für Geoinformation und Bodenordnung in ca. 100 Fällen, ist aber nicht in jedem Fall in den Akten des Rechtsamtes dokumentiert.
- Von den 424 Fällen, in denen zu gesetzlichen Vertretern bestellte Rechtsanwälte Vergütung erhalten haben, weisen 227 Fälle Bearbeitungsfehler auf.
- Bei der Stadt liegen aktuell drei angemeldete Fälle auf Schadensersatz vor, die möglicherweise einklagbare Schadenssumme wird maximal auf einen unteren sechsstelligen Betrag geschätzt. Im Bezug auf mögliche weitere Schadensszenarien kann insbesondere wegen der Unterschiedlichkeit der Fälle keine seriöse Auskunft darüber erteilt werden, in welcher Höhe sich evtl. kumulierte Schadensersatzforderungen bewegen würden. Für die in den Medien veröffentlichten Spekulationen über bis zu zweistellige Millionenbeträge finden sich derzeit keinerlei Anhaltspunkte.
- Insgesamt weisen nach Einschätzung des RPA 667 der 754 Akten Bearbeitungsmängel auf. Generell hat es im Rechtsamt in der Vergangenheit aufgrund fehlender Arbeitsanweisungen keine ordnungsgemäße Sachbearbeitung im Umgang mit den sogenannten herrenlosen Grundstücken gegeben. Die Ablauforganisation dieses Aufgabengebietes im Rechtsamt war nach Einschätzung des RPA mangelhaft.
- In Konsequenz der Fehlerhäufung wurden seit Frühjahr 2011 keine Neubestellungen gesetzlicher Vertreter mehr vorgenommen. Es wurden bereits zwei zusätzliche Justiziarinnen eingestellt, die seit Dezember 2011 das Verwaltungsverfahren rund um die gesetzliche Vertretung vollkommen neu strukturieren und lediglich dringende Eilfälle bearbeiten. Zudem wird das Rechtsamt seit November 2011 bei seiner Neuorganisation von einer externen Beratungsfirma begleitet. Vordringlichste Aufgabe ist es seitdem, die Maßnahmen für die Aufarbeitung der Fehler der Vergangenheit zu definieren und die Grundlagen ordnungsgemäßen Handelns für das zukünftige Verwaltungsverfahren zu schaffen.
- Die Aufarbeitung der Fälle ist äußerst umfangreich. Zur Veranschaulichung: Die zur Überprüfung an RPA und Staatsanwaltschaft übergebenen Akten benötigten Platz in 31 Umzugskartons. Um alle Fälle aufzuarbeiten, werden zehn Sachbearbeiter voraussichtlich eineinhalb Jahre benötigen.
Zum Hintergrund
Die Grundbücher wurden in der DDR nur sehr unvollständig geführt. Aus diesem Grund und auch wegen zahlreicher Verstaatlichungen von Grundstücken durch die DDR-Behörden waren nach der Wiedervereinigung in vielen Fällen die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse aus den Grundbüchern nicht immer klar erkennbar.
Die Bestellung gesetzlicher Vertreter für Grundstücke, bei denen der Eigentümer nicht bekannt oder sein Aufenthalt nicht ermittelt werden kann, (herrenlose Grundstücke) ist im Vermögensgesetz (VermG) sowie im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) geregelt. Danach besteht für die Behörden die Pflicht, bei Nachweis eines berechtigten Interesses des Antragstellers für die oben genannten Grundstücke einen gesetzlichen Vertreter zu bestimmen. Es handelt sich hierbei um Beschleunigungsvorschriften, die speziell für die neuen Bundesländer geschaffen wurden. Mit diesem Verfahren sollte trotz der unvollständigen Grundbuchinformationen eine kurzfristige Möglichkeit geschaffen werden, die Verkehrsfähigkeit dieser Grundstücke herzustellen, insbesondere in den Fällen, in denen vom Grundstück Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen. Zur Entlastung der sonst in Nachlassangelegenheiten zuständigen Amtsgerichte führt die Bestallung die Behörde selbst durch.
Die Aufgabe eines gesetzlichen Vertreters ist vorrangig die Vermögenssorge im Interesse der unbekannten oder nicht auffindbaren Eigentümer. Daher ist der gesetzliche Vertreter grundsätzlich auch zum Verkauf des Grundstücks berechtigt, insbesondere in den Fällen, in denen vom Grundstück Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen und das Grundstück ertraglos ist. Ein Verkauf hat im Interesse des Eigentümers zu erfolgen, ihm sollte daher grundsätzlich ein Wertgutachten eines vereidigten Gutachters zugrunde liegen.
Es ist von Gesetzes wegen nicht die vordringliche Aufgabe des gesetzlichen Vertreters, nach Erben zu suchen. Die Erbenermittlung obliegt grundsätzlich der zuständigen Behörde. Der geforderte Umfang dieser Ermittlung ist gesetzlich nicht klar geregelt. Der zumutbare Aufwand für eine Erbenermittlung steht immer im Spannungsfeld zwischen dem Grundrecht auf Schutz des Eigentums auf der einen Seite und dem Beschleunigungsgrundsatz zur Herstellung der Verkehrsfähigkeit des Grundstücks auf der anderen Seite. Es gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. So hat nach herrschendem Rechtsverständnis eine Behörde alle ihr zur Verfügung stehenden und verhältnismäßigen Nachforschungsmöglichkeiten auszuschöpfen, langwierige und wenig Erfolg versprechende Aufklärungsmöglichkeiten werden hingegen nicht gefordert. Hat sie die Erbenermittlung ergebnislos abgeschlossen, ist sie verpflichtet, einen gesetzlichen Vertreter zu bestellen.
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