Beide Daten haben etwas Gemeinsames und etwas Trennendes zugleich. Beiden gemein ist, dass 1813 nach der Völkerschlacht Europa nicht mehr dasselbe war wie vor der Schlacht. Napoleon war besiegt, die deutschen Staaten waren wieder souverän. Man muss hier das Wort "Staaten" betonen, denn nur sie schüttelten ihre Fremdherrschaft ab. Für die Menschen galt dies nicht, sie fanden sich in den Jahren nach 1813 in wiedererstarkten, autoritären deutschen Kleinstaaten wieder. Sie blieben weiter unterdrückt, Demokratie fand nicht statt.
Auch der Leipziger Herbst 1989 krempelte Europa um – ohne einen einzigen Schuss. Wie im Herbst 1813 nahm die Erschütterung des Kontinents auch 176 Jahre später in Leipzig ihren Ursprung. Aber dieses Mal war der Umsturz friedlich. Und vor allem: Er war von Dauer und jeder einzelne profitierte. Autoritäre Staaten wurden hinweggefegt, die Freiheit war dieses Mal individuell. Sie galt dem einzelnen, nicht einem Staat, nicht einem Fürsten, nicht einem König.
100 Jahre nach der Völkerschlacht wurde diesem furchtbaren Gemetzel ein Denkmal gesetzt, ein Koloss, der schon von weitem ins Auge sticht. Ein Stein gewordenes Mahnmal für zehntausende Soldaten, die in Leipzig in jenen Tagen den Tod fanden. Dieses Denkmal gehört zu unserer Stadt, es ist nicht wegzudenken. Es wurde im Laufe des vergangenen Jahrhunderts mehrfach umgedeutet, miss-interpretiert und instrumentalisiert; zuletzt hatten es wieder Neonazis versucht. Unser Völkerschlachtdenkmal mahnte immer zum Gedenken an die Toten. Diese Botschaft wollen wir aufnehmen, für dieses Denkmal muss sich niemand schämen, im Gegenteil, dieses Denkmal mahnt zu Frieden und Verständigung.
Aber mit einem Denkmal für den zweiten Umsturz, der in Leipzig seinen Anfang nahm, tun wir uns schwer. Warum eigentlich? Wir setzen 100.000 Toten ein Denkmal und zweifeln, ob wir 70.000 friedliche Demonstranten würdigen wollen, ihren Verdienst den folgenden Generationen erklären und verdeutlichen? Es würde ein falsches Licht auf unsere Stadt werfen, wenn wir die Friedlichen verstecken. Der Herbst 1989 hat auch mit dem Herbst 1813 zu tun. Beide Daten gehören zu Leipzig, beide gehören zu unserer Identität. Zweimal hat Leipzig Europa verändert, und an beide Male wollen wir erinnern.
Ihr
Burkhard Jung
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