Seit 1961 verbindet uns eine Partnerschaft mit der ukrainischen Hauptstadt. Mit der Friedlichen Revolution hat diese Freundschaft eine neue Qualität erhalten. Sie steht symbolisch für eine Entwicklung, die Europa in den vergangenen Jahrzehnten genommen hat - von der Blockkonfrontation hin zur europäischen Versöhnung und Verständigung. Gerade in Kiew besitzen wir nach der Orangenen Revolution im November 2004 einen Partner, der über Erfahrungen und Haltungen verfügt, in denen wir uns wiedererkennen.
Um so mehr empören uns die Bilder, die uns jetzt aus Kiew erreichen. Es herrscht der unausgesprochene Notstand. Unsere Freunde finden sich dort in einer Situation, die an die Oktobertage von 1989 in Leipzig erinnert. Allerdings mit einem gewichtigen Unterschied: Die Gewalt, die in Leipzig verhindert wurde, tritt in Kiew offen zutage. Dies können wir nicht akzeptieren! "Keine Gewalt" muss wie 1989 der Appell der Stunde sein.
In dieser Lage erreichte uns jüngst ein offener Brief des ukrainischen Schriftstellers Juri Andruchowytsch. Uns Leipzigern ist Andruchowytsch wohlbekannt. 2006 ehrten wir ihn mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung. Wir müssen heute erkennen, dass sich das Land unter seinem Präsidenten Wiktor Janukowytsch ins europäische Abseits manövriert.
Juri Andruchowytsch beschreibt in seinem Brief eindrücklich die Situation in der Ukraine. Man müsse davon ausgehen, so sagt er, "dass in der Ukraine alles verboten ist, was von den Machthabern nicht erlaubt wird. Und das ist nur eins - zu gehorchen." Aber Gehorsam kann niemals Mündigkeit ersetzen, die Quelle jeder demokratischen Ordnung!
Juri Andruchowytsch nimmt in seinem Brief kein Blatt vor den Mund, wohlwissend, dass er sich durch seine klaren Worte der Gefahr der Repression aussetzt. "In der Ukraine sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit in vollem Gange" schreibt er. Von "Todesschwadronen" schreibt er, von Polizisten, die Verletzte aus Krankenhäusern zerren und sie zum Verhör abführen. Aber er betont auch den Durchhaltewillen der Opposition: "Wir können die Proteste nicht stoppen, denn das würde bedeuten, dass wir mit einem Land in der Form eines lebenslangen Gefängnisses einverstanden sind". Dem ist nichts hinzuzufügen.
Jede Leipzigerin und jeder Leipziger wird ihn verstehen und aus vollem Herzen unterstützen. Unsere Möglichkeiten, die Freundinnen und Freunde in Kiew pragmatisch zu unterstützen, sind gering. Es ist nur ein kleiner Beitrag, aber es mag vielleicht ein wenig helfen, wenn wir vernehmlich sagen: Ihr seid nicht allein! Die Ukraine gehört zu uns in Europa.
Darüber hinaus bittet das "Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V." um Spenden für das Helferzentrum der Deutsch - Evangelisch - Lutherischen Kirchengemeinde St. Katharina Kiew. Die Stadt Leipzig unterstützt diese Initiative ausdrücklich. Wer Menschen in Kiew, die sich für einen friedfertigen Weg und eine tatsächliche Demokratie einsetzen, auch materiell unterstützen will, nutze folgende Adresse:
Evangelische Kreditgenossenschaft eG
Deutsch - Evangelisch - Lutherische Gemeinde Kiew
IBAN: DE34 5206 0410 0005 1860 80
BIC: GENODEF1EK1
Wir werden nicht schweigen! Wir werden helfen!
Ihr Burkhard Jung