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- Umweltzone
- Luftreinhaltung in Leipzig
leipzig.de-Interview mit Bürgermeister Heiko Rosenthal+++
Warum wird in Leipzig eine Umweltzone eingeführt? Die Umweltzone dient, neben den anderen 47 Maßnahmen im Luftreinhalteplan der Stadt Leipzig, in erster Linie dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung. Sie ist die zentrale Maßnahme des Luftreinhalteplans mit dem größten Schadstoffminderungspotenzial.
Es hat sich gezeigt, dass der Straßenverkehr an verkehrsreichen Straßen im Mittel einen Anteil von etwa 35 Prozent an der Gesamtbelastung mit Feinstaub hat. Feinstaub wird zwar zu einem großen Teil auch durch Abrieb und Aufwirbelung verursacht, jedoch entstehen die gesundheitlich relevanteren Partikel beim Verbrennungsprozess im Motor, insbesondere im Motor der Dieselfahrzeuge. Diese Partikel gilt es in erster Linie zu minimieren.
Bei den Stickstoffoxiden stammen an den zur Luftqualitätsüberwachung eingerichteten Messstationen Leipzig-Mitte und Lützner Straße im Mittel 77 Prozent aus dem motorisierten Straßenverkehr. Gesetzlich ist vorgegeben, die Maßnahmenplanung an den Verursachern und deren Anteil an der Luftschadstoffbelastung auszurichten. Genau hier setzt die Umweltzone an.
Welche Auswirkungen haben Feinstaub und Stickoxide auf die Umwelt bzw. menschliche Gesundheit? Gesundheitliche Wirkungen von Feinstaub wurden bereits in zahlreichen Untersuchungen erforscht. Zu den dokumentierten Kurzzeiteffekten zählen beispielsweise erhöhte Krankenhausaufnahmen und Arztbesuche wegen Atemwegs- und Herz-Kreislauferkrankungen unmittelbar nach kurzzeitig erhöhter Feinstaubbelastung, ein erhöhtes Herzinfarktrisiko und damit verbunden ein Anstieg der Sterblichkeit an Herz-Kreislauferkrankungen.
Stickstoffdioxid (NO2) kann langfristig zu einer Beeinträchtigung der Lungenfunktion und bei Kindern zu einer Beeinträchtigung des Lungenwachstums führen. Auch infektbedingte Atemwegssymptome wie Husten oder Bronchitis können vermehrt auftreten.
Zu beachten ist auch, dass es eine Vielzahl von Pflanzen gibt, die gegenüber NO2 empfindlich reagieren. Bereits geringe Konzentrationen können zu einer Minderung des Blattwachstums und zu Ertragsverlusten führen.
Wo gibt es bereits überall Umweltzonen? Umweltzonen wurden bislang in mehr als 40 deutschen Städten eingeführt und werden zunehmend verschärft. In Berlin und Hannover darf bereits seit 1. Januar 2010 nur noch mit grüner Plakette gefahren werden.
Andere europäische Länder führen und führten ebenfalls Umweltzonen ein. So gibt es Verkehrsbeschränkungen in den Niederlanden (z. B. Amsterdam, Rotterdam, Eindhoven, Tilburg) in Schweden (z. B. Stockholm seit 1996, Göteburg, Malmö), in Italien (Provinzen wie z. B. Südtirol, Bozen, Piemont, Lombardei) und London, um nur einige zu nennen.
Was haben Umweltzonen in anderen Städten bislang gebracht? Eine sehr umfangreiche Betrachtung wurde von der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz in Berlin durchgeführt. Dort verminderte sich der Dieselrußausstoß im ersten Jahr (2008) der Umweltzone um 28 Prozent, der Stickoxidausstoß sank um 18 Prozent. Die verkehrsbedingte Rußpartikelbelastung verminderte sich um 14 bis 16 Prozent. Auch eine Minderung der Stickstoffdioxidkonzentration um etwa 7 bis 10 Prozent ist der ersten Stufe der Umweltzone, die ein Fahrverbot für Fahrzeuge ohne Plakette vorschreibt, anzurechnen.
Anfang 2009 hat die EU-Kommission der BRD ein Vertragsverletzungsverfahren wegen anhaltender Überschreitungen des Tagesmittelgrenzwertes für Feinstaub angedroht. Kann sichergestellt werden, dass mit der Umweltzone die EU-Vorgaben zukünftig eingehalten werden? Bei der Beurteilung der Wirkung von Luftreinhaltemaßnahmen wie der Umweltzone spielt der Einfluss der Meteorologie eine entscheidende Rolle. Die Berechnung der Wirksamkeit von Umweltzonen erfolgt auf Basis mittlerer Wetterbedingungen. Dazu wird beispielsweise eine 10-Jahres-Statistik einer lokalen Wetterstation verwendet.
Vom Mittelmaß abweichende Wetterbedingungen (z. B. viele Inversionswetterlagen, niederschlagsarme Jahre) sowie primär wetterbedingt verursachter höherer Ferneintrag von Feinstaub erhöhen die Wahrscheinlichkeit für Grenzwertüberschreitungen. Somit können Überschreitungen wie in Berlin im Jahr 2010 auch in Leipzig zukünftig nicht komplett ausgeschlossen werden.
Die Vorgaben der EU sind nicht alleine mit der Umweltzone, sondern nur in Summation mit den sonstigen Maßnahmen des Luftreinhalteplans erfüllbar. Analog gilt dies auch für Stickstoffdioxid, wobei hier der Wettereinfluss, gegenüber Feintaub, geringer ist.
Warum ist die Umweltzone nicht durch andere Luftreinhaltemaßnahmen ersetzbar? Die Möglichkeit, die Umweltzone durch wirkungsvolle Maßnahmen zu flankieren, wurde bei der Erarbeitung des Luftreinhalteplans intensiv geprüft. Aus fachlicher Sicht gibt es Ansatzpunkte, welche die Ausgestaltung der Umweltzone beeinflussen könnten. Diese scheitern jedoch an der Finanzierbarkeit.
Sinnvoll wäre zum Beispiel eine Attraktivitätssteigerung des ÖPNV durch eine spürbare Absenkung der Fahrpreise. Dabei ist jedoch zu beachten, dass eine über das jetzige Maß hinausgehende massive finanzielle Förderung des ÖPNV keinen Einfluss auf den besonders emissionsstarken Nutzfahrzeugverkehr hätte und an dieser Stelle folglich weitere Maßnahmen ansetzen müssten.
Warum muss die Umweltzone so groß sein und gleich mit grüner Plakette starten? Im Rahmen der Erarbeitung des Luftreinhalteplanes erfolgten umfangreiche Berechnungen. Dabei wurden verschiedene Zuschnitte einer Umweltzone betrachtet und festgestellt, dass nur mit dem jetzt geplanten, relativ großflächigen Gebiet, die notwendige Minderung der Schadstoffbelastung in Summation mit den sonstigen Maßnahmen erzielt werden kann.
Die Abgrenzung der Umweltzone wurde so gewählt, dass nahezu alle mehr als zulässig schadstoffbelasteten Straßenabschnitte in der Umweltzone liegen, gleichzeitig jedoch Zugangsmöglichkeiten zum ÖPNV für Einpendler und Besucher verbleiben sowie Straßen am Rand der Umweltzone, die etwaigen Umfahrungsverkehr aufzunehmen vermögen.
Problematisch ist, dass es unter den stark belasteten, bewohnten Straßenabschnitten mit insgesamt etwa 15 km Länge auch verkehrsreiche Abschnitte gibt, die weit außerhalb des innerstädtischen Raumes liegen. Das macht eine notwendige Ausdehnung der Umweltzone unvermeidbar.
Wie groß wird die Wirkung der Umweltzone sein? Generell sollte man sich von der Vorstellung lösen, dass mit Einführung der Umweltzone die Feinstaubbelastung rapide sinkt. Sie wird voraussichtlich um bis zu ca. 10 Prozent des Jahresmittelwertes abnehmen. Rein rechnerisch können damit bei mittleren Wetterbedingungen die Überschreitungstage in Leipzig auf das zulässige Maß begrenzt werden.
Gesundheitlich bedeutsamer ist jedoch, dass die Anzahl der besonders gefährlichen Partikel im Abgas von Diesel-Kfz mit der Umweltzone sehr deutlich reduzierbar ist. Dafür spricht die in Berlin erzielte Minderung der Rußbelastung um bis zu 20 Prozent und dies bereits in Stufe 1 der Umweltzone, d. h. bei Verkehrsbeschränkungen für Fahrzeuge mit keiner Plakette. Die Umweltzone wirkt sich jedoch nicht alleine nur auf die Feinstaubbelastung mindernd aus, sondern auch auf den Stickstoffoxidausstoß und damit die Belastung der Luft mit Stickstoffdioxid.
Wird der Effekt der Umweltzone nicht durch die erteilten Ausnahmen aufgezehrt? Der Effekt der Umweltzone wird zwar durch die erteilten Ausnahmegenehmigungen vom Fahrverbot gemindert, erwartungsgemäß jedoch nicht konterkariert. Der maximale Effekt ist deshalb nicht sofort zu erwarten, sondern wird sich erst im Lauf der Zeit einstellen, wenn die Fahrzeugmodernisierung weiter voranschreitet und die erteilten Ausnahmen abnehmen.
Seitens der Stadt Leipzig wurden Ausnahmeregelungen für den Privat- und Wirtschaftsverkehr erarbeitet, die soziale und wirtschaftliche Härten vermeidbar machen. So bleiben, neben der Verpflichtung zur Gewährleistung eines hinreichenden Gesundheitsschutzes, auch andere grundlegende Bedürfnisse der Bevölkerung nicht unbeachtet.
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