Nachdem Fachleute der Verwaltung den Verkehr in der Stadt in den letzten Monaten analysiert, Prognosen abgeglichen und verschiedene Modelle durchgerechnet haben, wird die Vorlage mit der Darstellung sechs auf fachlich-wissenschaftlicher Basis erarbeiteter möglicher Szenarien jetzt dem Stadtrat und der Öffentlichkeit zur Diskussion übergeben. Die Szenarien, die auf Grundlage der Ziele des Stadtentwicklungsplans Verkehr und öffentlicher Raum erstellt wurden, geben einen Überblick über die Möglichkeiten und Kosten einer urbanen Mobilität in Leipzig im nächsten Jahrzehnt.
Im Frühjahr 2018 soll der Stadtrat dann über ein Vorzugsszenario entscheiden, welches Grundlage der Maßnahmenplanung der Folgejahre und auch der Fortschreibung des Nahverkehrsplans der Stadt Leipzig werden soll.
Die Mobilitätsszenarien in Stichpunkten
Fortführungs-Szenario
Grundgedanke: Fortführung des verkehrspolitischen Status Quo
Dieses Szenario beschreibt die Option, die Ausgaben für Verkehr sowie gegenwärtige Verkehrsstrategien und -maßnahmen unter den Bedingungen des Wachstums unverändert fortzuführen. Die Gestaltung der Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs, insbesondere der von der Stadt und der Leipziger Gruppe gezahlte Ausgleichsbetrag und die jährlichen Fahrpreisanpassungen, bleiben weitestgehend bestehen.
- Verminderte Verkehrsqualität für alle Verkehrsträger, Zunahme des Verkehrsaufkommens vor allem im motorisierten Indiviualverkehr
- Fahrgastzahl im öffentlichen Personennahverkehr steigt proportional zum Bevölkerungswachstum
- Durchschnittsgeschwindigkeit im öffentlichen Personennahverkehr sinkt, für den Kraftfahrzeug-Verkehr sogar sehr stark
- Stickoxid-Grenzwerte werden überschritten, Klima- und Lärmschutzziele werden nicht erreicht
- Zunahme des Parksuchverkehrs
- Sehr langsamer Wirtschaftsverkehr/ erschwerte Anlieferung
Fortführungs-Szenario mit Fahrpreiskonstanz
Grundgedanke: Fortführung des verkehrspolitischen Status Quo ohne Fahrpreiserhöhungen
Dieses Szenario zeigt eine Variante des Fortführungs-Szenarios. Bei sonst gleichem Handeln werden aber zukünftige Fahrpreiserhöhungen vermieden. Durch Verzicht auf zunehmende Anteile der Nutzerfinanzierung muss eine steigende öffentliche Finanzierung erfolgen.
- Verminderte Verkehrsqualität für alle Verkehrsträger
- Leichte Steigerung der Fahrgastzahlen im öffentlicher Personennahverkehr
- Ebenfalls sinkende Durchschnittsgeschwindigkeit im öffentlicher Personennahverkehr und Kraftfahrzeug-Verkehr
- Einhaltung der Stickoxid-Grenzwerte kritisch, weiterhin hoher CO2-Ausstoß und Lärmbelastung sehr hoch
- Öffentlicher Finanzierungsaufwand für öffentlicher Personennahverkehr steigt stark an
- Langsamer Wirtschaftsverkehr/ erschwerte Anlieferung
Nachhaltigkeits-Szenario
Grundgedanke: Primat der "nachhaltigen Mobilität" und Förderung des Umweltverbundes
Bei diesem Szenario ist die lebenswerte Gestaltung der Stadt, die Verkehrslösungen auf verträgliche Weise einbettet, das oberste Ziel. Im Mittelpunkt steht die Förderung von nachhaltiger, sauberer und alle Bevölkerungsgruppen einschließender Mobilität. Der Umweltverbund spielt die Hauptrolle bei der Bewältigung des durch die wachsende Bevölkerungszahl steigenden Verkehrsaufkommens. Für alle Verkehrsteilnehmer soll Leipzig nachhaltig weiterentwickelt werden.
- Steigerung der Fahrgastzahlen und Auslastung im öffentlicher Personennahverkehr
- Geschwindigkeit im öffentlicher Personennahverkehr und im Kraftfahrzeug-Verkehr bleibt im Vergleich zu heute konstant
- Die Grenzwerte bei Stickoxid und CO2 werden eingehalten, sehr leises Szenario
- Hoher öffentlicher Finanzierungsaufwand für öffentlicher Personennahverkehr
- Wirtschaftsverkehr/ Anlieferung auf heutigem Geschwindigkeitsniveau
Fahrradstadt-Szenario
Grundgedanke: Förderung des Umweltverbundes bei Fokussierung auf den Radverkehr
Der Umweltverbund spielt auch in diesem Szenario die Hauptrolle bei der Bewältigung des durch die wachsende Bevölkerungszahl steigenden Verkehrsaufkommens, wobei die individuelle Mobilität mit dem Fahrrad im Vordergrund steht. Um die Radnutzung zu erhöhen, wird bevorzugt in ein durchgängiges, ganzjährig nutzbares Radverkehrsnetz investiert. Auch der öffentlicher Personennahverkehr gewinnt als Rückgrat des Umweltverbundes weiter an Bedeutung.
- Steigerung der Attraktivität des Radverkehrs
- Leichte Steigerung der Fahrgastzahlen des öffentlicher Personennahverkehr
- Durchschnittsgeschwindigkeit im öffentlicher Personennahverkehr und im Kraftfahrzeug-Verkehr sinkt leicht
- Die Grenzwerte bei Stickoxid und CO2 werden eingehalten, leisestes Szenario mit höchster CO2-Einsparung
- Steigender öffentlicher Finanzierungsaufwand für öffentlicher Personennahverkehr
- Wirtschaftsverkehr/ Anlieferung auf heutigem Geschwindigkeitsniveau
öffentlicher Personennahverkehr-Vorrang-Szenario
Grundgedanke: Politisch gestützte, wirtschaftlichkeitsorientierte öffentlicher Personennahverkehr-Kundengewinnung
In diesem Szenario liegt der Schwerpunkt auf der Maximierung der öffentlicher Personennahverkehr-Nachfrage, weil der Nahverkehr im Mittelpunkt der Entscheidungen steht. Der Angebotsausbau im öffentlicher Personennahverkehr geschieht wirtschaftlich, während die Höhe und Struktur der Ausgaben im Verkehr weitestgehend bestehen bleiben.
- Steigerung der Attraktivität und der Fahrgastzahlen des öffentlicher Personennahverkehr
- Erhöhung der Attraktivität des öffentlichen Raumes
- Durchschnittsgeschwindigkeit im öffentlicher Personennahverkehr sinkt leicht, im Kraftfahrzeug-Verkehr sinkt sie stark
- Die Einhaltung der Grenzwerte ist kritisch, relativ lautes Szenario
- Öffentlicher Finanzierungsaufwand für öffentlicher Personennahverkehr steigt
- langsamer Wirtschaftsverkehr/ Anlieferung fast auf heutigem Geschwindigkeitsniveau
Gemeinschafts-Szenario
Dieses Szenario beschreibt die Option, ein hochattraktives, stark ausgebautes öffentlicher Personennahverkehr-Angebot zu schaffen, das gemeinschaftlich finanziert wird. Der öffentlicher Personennahverkehr wird politisch aktiv und vorrangig gefördert und das Angebot unter dem angestrebten Ziel einer umfassenden öffentlicher Personennahverkehr-Versorgung für alle Leipzigerinnen und Leipziger ausgebaut. Die Finanzierung erfolgt verstärkt durch eine solidarische Abgabe all derer, die von dieser Versorgung im öffentlicher Personennahverkehr-Gebiet profitieren.
- öffentlicher Personennahverkehr-Auslastung steigt
- Durchschnittsgeschwindigkeit im öffentlicher Personennahverkehr und im Kraftfahrzeug-Verkehr bleibt konstant
- Grenzwerte werden eingehalten, CO2-Einsparung, leises Szenario
- Sehr stark ansteigender öffentlicher Finanzierungsaufwand für den öffentlicher Personennahverkehr, im Durchschnitt sinkende Mobilitätskosten für die Bürger
- Wirtschaftsverkehr/ Anlieferung auf heutigem Geschwindigkeitsniveau
- Bisher jedoch keine Rechtsgrundlage für eine gemeinschaftliche Finanzierung gegeben
Hinweise und Anregungen
Die vollständige Beschreibung der Szenarien finden Sie als Anlagen der Vorlage Mobilitätsstrategie 2030 für Leipzig im Ratsinformationssystem. Sie können sich aktiv in die Diskussion zur Mobilitätsstrategie einbringen.
Ihre Hinweise und Anregungen können Sie der Stadtverwaltung per E-Mail an vta-planung@leipzig.de übersenden.
Stimmen zu den Mobilitätsstrategien
Oberbürgermeister Burkhard Jung: "Sicher, sauber und für alle bezahlbar - so wünsche ich mir die Mobilität Leipzigs in der Zukunft. Die aufgezeigten Szenarien geben einen fachlich fundierten Überblick über unsere Möglichkeiten, Wünsche und Ansprüche im öffentlicher Personennahverkehr. Auf dieser Grundlage kann die Stadtgesellschaft miteinander ins Gespräch kommen und sich eine Meinung bilden, wie wir unsere Mobilität künftig organisieren und in Balance halten wollen. Auch die Kostenseite ist jetzt grob klar: wir brauchen bis 2030 bis zu einer Milliarde Euro in Leipzig für unseren Verkehr, das heißt jährlich deutlich höhere Betriebszuschüsse, wenn Leipzig weiter so rasch wächst. Das werden wir nicht aus eigener Kraft stemmen können. Ich appelliere deutlich an die künftige Bundesregierung: Wer Klimaschutz für Deutschland will, der muss die Kommunen auch entsprechend ausstatten und finanzieren. Ohne zusätzliches Geld von Bund und Ländern werden die Städte und Gemeinden eine nachhaltige und akzeptierte Mobilität nicht organisieren können."
Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau: "Bereits kommenden Samstag gibt es einen Workshop mit Vertretern der Stadtratsfraktionen, für Ende November laden wir Kammern, Vereine und Verbände zu einer gemeinsamen Diskussion ein. Auch alle Bürgerinnen und Bürger haben die Möglichkeit, die Mobilitätsstrategie 2030 auf der Internetseite der Stadt zu lesen und zu kommentieren. Zum Schluss hat wieder der Stadtrat das Wort, um seine bisherigen Beschlüsse, allen Bürgerinnen und Bürgern Leipzigs, der Wirtschaft und den Gästen unserer Stadt gleichwertige Mobilitätschancen zu bieten und die hohe Lebensqualität in der Stadt zu sichern, mit der Bestimmung einer Vorzugsstrategie weiter zu untersetzen. Die vom Stadtrat beschlossene Strategie wird dann auch in die endgültige Fassung des neuen Nahverkehrsplanes einfließen, dessen ersten Entwurf wir auch in Kürze zur Diskussion vorlegen wollen und der das Rückgrat unserer wachsenden Stadt bildet."
Michael Jana, Leiter des Verkehrs- und Tiefbauamtes: "Die sechs zur Diskussion vorgelegten Szenarien basieren nicht nur auf den verkehrs-, umwelt- und klimapolitischen Zielsetzungen bisheriger Beschlüsse des Stadtrates, sie verarbeiten auch mit wissenschaftlicher, faktenbasierter Szenario-Methodik die aktuellen Daten und Herausforderungen der wachsenden Stadt und geben einen Ausblick auf die Konsequenzen unterschiedlicher Handlungsschwerpunkte und -intensität. Auch die Erkenntnisse der Verkehrsstudie der IHK, welche die Zielrichtung der Verkehrsentwicklungsplanung in Leipzig unterstützt, lassen sich hier einordnen."