Die Polizei kommt, wenn man sie ruft – mit dem Auto im Regelfall sehr schnell, wenn man Pech hat (oder auf dem Land lebt) kann es aber auch lange dauern, bis Hilfe vor Ort ist. Wir nehmen Polizisten oftmals nur noch wahr als Beamte, die Schadensfälle aufnehmen; bei vielen Delikten erwarten die Bürger gar nicht mehr, dass die Tat aufgeklärt wird. Fahrrad gestohlen? Man braucht die Polizei eigentlich nur wegen des Aktenzeichens für die Versicherung. Und das geht auch online. Oder die Bürgerinnen und Bürger begegnen der Polizei, wenn sie hochgerüstet und hinter Helmen und Schilden geschützt bemüht ist, die öffentliche Sicherheit aufrecht zu erhalten. Mein Respekt gilt diesen Männern und Frauen, die sich für unsere Sicherheit einsetzen. Aber es sind zu wenige.
Mit Entsetzen schauen wir dieser Tage nach Bautzen, werden (erneut) Zeuge, wie unter den Augen der Öffentlichkeit Straßenschlachten ablaufen. Der sächsische Innenminister Markus Ulbig hat erklärt, der Staat werde solche Gewaltexzesse nicht tolerieren und mit aller Konsequenz gegen die Gewalttäter vorgehen. Dazu wurde auch Bereitschaftspolizei nach Bautzen geschickt. Das klingt zunächst nach Tatkraft und Entschlossenheit, aber es legt den zentralen Mangel in der inneren Sicherheit in Sachsen offen: Der Staat ist offenbar nicht in der Lage, Pöbeleien und sich aufschaukelnde Gewalt im Zentrum einer Stadt bereits im Vorfeld mit regulären Polizisten in den Griff zu bekommen. Und die Erklärung ist sehr einfach: Es gibt diese Polizisten an vielen Orten in Sachsen gar nicht. Dienststellen, die am Abend und am Wochenende nicht besetzt sind, sind die Regel, nicht die Ausnahme. Vielerorts wird innere Sicherheit nur noch verwaltet, aber nicht garantiert. Der Staat beansprucht das Gewaltmonopol für sich, im Gegenzug verspricht er den Bürgerinnen und Bürgern Schutz. Diese Abmachung ist in den letzten Jahren, nicht nur in Sachsen, als Folge eines permanenten Personalabbaus und rigoroser Sparbemühungen in Schieflage geraten.
Auch in Dresden reagiert der Innenminister, indem er Bereitschaftspolizei in die Neustadt schickt. Er spricht von "Leipziger Verhältnissen", die er in Dresden nicht dulde. Es stellt sich die Frage, wieso ein Durchgreifen, das Ulbig in der Dresdner Neustadt für selbstverständlich hält, für Leipzig zu fordern und durchzusetzen immer ein zäher politischer Kampf ist. Der Minister scheint mit seiner Wortwahl der 'Leipziger Verhältnisse' die Situation hier für bemerkenswert zu halten - dann müssen aber auch die entsprechenden Konsequenzen folgen: Mehr Polizei, sichtbar auf der Straße. Was Minister Ulbig in Dresden für selbstverständlich hält, kann in Leipzig nicht die Ausnahme sein.
Nur eine Zahl: 2.189. Das ist die Zahl der Überstunden, die die Polizisten in der Stadt Leipzig im vergangenen Monat vor sich hergeschoben haben. Das ist seit Jahren so, und das weiß im Innenministerium auch jeder. Allein: es tut sich nichts. Der Stellenabbau bei der Polizei ist zwar sachsenweit gestoppt. Aber dadurch ist noch nicht eine einzige Stelle neu hinzugekommen. Allein in Leipzig als am schnellsten wachsende Stadt in Sachsen bräuchten wir 200 zusätzliche Stellen bei der Polizei, um die eklatantesten Mängel abstellen zu können.
Sicherheit ist immer auch gefühlte Sicherheit. Und nichts stärkt das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger so sehr wie öffentlich sichtbare und ansprechbare Polizisten. Polizisten, die sich zeigen, die gleich vor Ort einschreiten können, bevor sich Gewalt aufschaukeln kann. Polizisten, die Streife gehen.
Ihr Burkhard Jung