Mütter oder Väter, die ihre Kinder alleine groß ziehen, tragen oft auch die Verantwortung alleine. Und allzu oft stehen sie auch finanziell alleine da, weil der andere Elternteil nicht zahlen kann - oder nicht zahlen will. Einige Mütter und Väter - meist sind es die Väter - entziehen sich ihrer Verantwortung und sorgen nicht für ihre Kinder. In diesen Fällen springen die Behörden ein und helfen mit dem sogenannten Unterhaltsvorschuss aus. In Leipzig trifft das rund 5.000 Jungen und Mädchen, die Stadt geht mit knapp 10 Millionen Euro pro Jahr in Vorleistung, damit diese Kinder finanziell unterstützt werden. Das Geld wird allerdings nur bis zum 12. Lebensjahr ausgezahlt und auch nur für höchstens sechs Jahre.
Dies will die Bundesregierung nun ändern. Mit dem neuen Unterhaltsvorschussgesetz sollen diese beiden Grenzen fallen, die Behörden sollen Kinder Alleinerziehender, bei denen ein Elternteil sich aus der Verantwortung stiehlt oder nicht zahlen kann, bis zum 18. Geburtstag unterstützen, eine zeitliche Begrenzung soll es nicht mehr geben. Ich halte diese Gesetzesänderung grundsätzlich für richtig, aus einem einfachen Grund: Die Kinder können nichts für ihre Eltern. Und schon gar nichts können sie für deren Zahlungsfähigkeit oder Zahlungsmoral. Daher ist es richtig, dass der Staat hier einspringt - und sich später das Geld von den säumigen Eltern zurückholt.
Aber dafür muss den Behörden auch das entsprechende Werkzeug an die Hand gegeben werden. Neben denen, die nicht zahlen können, erleben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendamtes bei denen, die nicht zahlen wollen, die abenteuerlichsten Geschichten. Hier ist kein Argument zu platt und kein Trick zu verwinkelt, wenn es darum geht, die Allgemeinheit für die eigenen Kinder zur Kasse zu bitten. Ein echtes Druckmittel, um diese Väter an ihre Verantwortung zu erinnern und Geld zurückzufordern, haben die Behörden kaum.
Einen Zahlungsbescheid ignorieren viele - einen drohenden Führerscheinentzug nicht. In anderen Ländern ist es selbstverständlich, dass Eltern, die nicht für ihre Kinder sorgen wollen, mit dem Entzug der Fahrerlaubnis gedroht wird. Und meist reicht die bloße Androhung auch aus. Die Zahlungsmoral erhöht sich sprunghaft, wenn der Führerschein in Gefahr ist. Es wäre die effektivste Waffe im Kampf gegen zahlungsunwillige Väter. In Deutschland ist dies bisher nicht möglich.
Die geplante Gesetzesänderung des Bundes ist in der Sache so richtig, wie sie vorschnell jetzt auf den Weg gebracht wird. Für Leipzig würde das neue Gesetz - schon in nur einem Monat - bedeuten: zehn Millionen Euro mehr Ausgaben, 50 neue Personalstellen im Jugendamt, die allein die zahlreichen neuen Anträge bearbeiten müssten. Bis zum geplanten Beginn am 1. Januar 2017 wird das nicht funktionieren. Keine Kommune hat diese gigantischen Kosten, deren Finanzierung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden überhaupt nicht vereinbart ist, eingeplant. Der Arbeitsmarkt gibt diese riesige Zahl an Verwaltungsfachleuten auf einen Schlag auch nicht her. Würde das Gesetz wie geplant zum 1. Januar in Kraft treten, dann käme auf einen Schlag eine Welle an (berechtigten) Anträgen auf die Kommunen zu, die diese aber gar nicht bearbeiten können. Wir müssten die Hoffnungen von tausenden von Eltern, die sich eine bessere Unterstützung für ihre Kinder herbeisehnen, grob enttäuschen. Das kann niemand wollen.
Städte und Gemeinden in Deutschland brauchen mindestens ein halbes Jahr mehr Zeit, um sich auf die Gesetzesänderung vorzubereiten. Und Bund, Länder und Gemeinden brauchen diese Zeit ebenfalls, um die Finanzierungsfragen zu klären. Wenn dann im Sommer das neue Gesetz kommt, idealerweise begleitet durch wirksame Sanktionsmöglichkeiten der Behörden gegen säumige Elternteile - dann haben die Kinder gewonnen, die Eltern und die Gesellschaft.
Ihr Burkhard Jung