Am 8. Mai 1693 wurde Leipzigs erstes Opernhaus, das Opernhaus am Brühl, auf Initiative der Bürgerschaft der Stadt feierlich eröffnet. Damit war es nach Hamburg und Venedig das drittälteste bürgerliche Opernhaus Europas. Es repräsentierte Stolz und Kunstsinn der Universitäts- und Messestadt gegenüber der Residenzstadt Dresden. Heute ist das Haus am Augustusplatz als Mitglied der deutschen Opernkonferenz Anziehungspunkt für viele Gäste aus dem In- und Ausland. Es steht für Tradition und Innovation. Mit der Premiere von Alban Bergs "Lulu" stellt die Oper Leipzig daher bewusst einen Klassiker der Moderne in den Mittelpunkt ihres Festwochenendes.
Programm
Max Raabe singt
15. Juni, 20 Uhr
"Kein Schwein ruft mich an" - mit Titeln wie diesem hat sich Max Raabe in der Musikszene einen Namen gemacht. Sie erinnern an den Swing der 20er und frühen 30er Jahre, die so schillernde Figuren wie Heinrich Manns "Blauen Engel" oder Alban Bergs "Lulu" hervorgebracht haben. Am Vorabend zur Leipziger Premiere von "Lulu" gratulieren Max Raabe und sein Pianist Christoph Israel zu 325 Jahren Oper in Leipzig mit einem musikalischen Spaziergang durch die Weimarer Republik.
Opernplauderei
16. Juni, 15 Uhr
In persönlicher Atmosphäre lernen Sie Künstler der Oper Leipzig sowohl von ihrer beruflichen als auch privaten Seite kennen. Sie erfahren, wie unterschiedlich die Wege zum Theater sind und bekommen interessante Einblicke in die Vielfalt der Theaterberufe.
Im Eintrittspreis ist ein Gedeck mit Kaffee oder Tee und Kuchen enthalten.
Lulu
16. Juni, 19 Uhr - Premiere
Alban Berg schuf mit "Lulu" einen Klassiker des 20. Jahrhunderts. Die Kindfrau Lulu ist das Abbild einer Zeit, die aus den Fugen geraten ist. Als Projektionsfläche für erotische Männerfantasien steht sie für die obsessive Suche nach dem eigenen Ich hinter der Oberfläche des schillernden Scheins.
"Ich habe nie in der Welt etwas anderes erscheinen wollen, als wofür man mich genommen hat, und man hat mich nie in der Welt für etwas anderes genommen, als was ich bin", so die Protagonistin. Aber wer ist diese Lulu tatsächlich? Alle Welt dreht sich um sie und dennoch vermag keiner diese Frage zu beantworten, am wenigsten diejenigen, die ihr verfallen sind. Am Ende des Zeitalters bürgerlicher Moral verkörpert sie das Kreatürlich-Animalische schlechthin, das es zu zähmen und zu besitzen gilt. Gleichzeitig führt sie uns vor Augen, dass Vernunft, Moral, ja sogar Kunst ihrer Natur nicht gewachsen sind. Der Anblick Lulus gleicht dem Blick in einen Spiegel, der sein Gegenüber mit seinen eigenen Obsessionen konfrontiert und langsam daran zugrunde gehen lässt. Schließlich setzt mit dem Massenmörder Jack the Ripper ebenfalls ein Instinktwesen dem Fluch Lulus ein Ende und läutet damit zugleich eine neue Zeit ein, das Zeitalter einer durch und durch verrohten Gesellschaft.
Weitere Aufführungen: 24. Juni, 1. Juli (alle Vorstellungen mit Einführung 45 Minuten vor Vorstellungsbeginn)
"Boléro" (Walking Mad) / "Le Sacre du Printemps"
17. Juni, 18 Uhr
Zwei skandalumwitterte Ballettmusiken, die in ihrem Charakter unterschiedlicher kaum sein können, treffen in diesem Doppelabend wirkmächtig aufeinander. "Walking Mad", das Tanzstück des Schweden Johan Inger, ist eine Hommage sowohl an Maurice Ravels legendären "Boléro" als auch an die Freuden körperlicher Sinnlichkeit. Im Takt des immer wieder variierten Grundmotivs kreist der Tanz um menschliche Beziehungen, unaufhaltsam und immer schneller werdend dem finalen Crescendo entgegen. Zwischen intensivster körperlicher Anspannung und herrlich grotesker Slapstick wird geflirtet, gerangelt, geliebt und natürlich ordentlich gestritten.
Ist der "Boléro" in seiner musikalischen Leichtigkeit fast unausweichlich eingängig, sperrt sich die Musik des zweiten Tanzstücks umso mehr. Ballettdirektor Mario Schröder nimmt sich des großen Tanzklassikers der Moderne an: Strawinskys "Le Sacre du Printemps". Als mindestens genauso skandalös wie die Musik galt die Choreografie des Ballets Russes von Vaslav Nijinsky. Die erdigen, auf die Körpermitte fixierten, fast sexuellen Tanzbewegungen überforderten das Publikum schlicht in seinen Sehgewohnheiten. Heute gilt die Choreografie als wichtiger Markstein für die Entwicklung des zeitgenössischen Tanzes. Mario Schröder wird die Frage nach der Bedeutung des Opfers in unserer heutigen Gesellschaft in die Mitte seiner Auseinandersetzung stellen.