Rede des Oberbürgermeisters der Stadt Leipzig, Burkhard Jung, in der Sondersitzung des Stadtrates Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik am 25.06.2008
Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrter Herr Staatsminister Jurk,
sehr geehrte Frau Jahn,
sehr geehrter Herr Petersen,
sehr geehrter Herr Dr. Teichert,
sehr geehrte Gäste auf Tribüne,
sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,
die Stärkung der regionalen Wirtschaft bleibt eines unserer zentralen Anliegen. In der Ratsversammlung am 16. Januar 2008 wurden die Handlungsfelder für eine lokale Beschäftigungsstrategie in der Region Leipzig" beschlossen. Diese Strategie ist ein Konsens, der zwischen den regionalen Vertretern aus Politik, den Kammern und den Gewerkschaften erzielt wurde. Dieser Konsens ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass sich die Wirtschaftsregion zu einer Metropolregion entwickelt. Nur mit tragfähigen Leitlinien werden wir unsere Potentiale als internationaler Wirtschaftsstandort nutzen können.
Diese Potentiale sind ganz ohne Zweifel vorhanden: Das Magazin "Foreign Direct Investment" (FDI), das von den Financial Times in London herausgegeben wird, zählt Leipzig nach London, Flandern und Paris zu den vier attraktivsten Standorten Europas für ausländische Direktinvestitionen. Dank hervorragender Infrastruktur, gut ausgebildeter Fachkräfte, Wirtschaftsfreundlichkeit und nicht zuletzt dank einer hohen Lebensqualität. Und auch das Städteaudit der Europäischen Kommission - eine regelmäßige Datenerhebung unter 258 Städten der Europäischen Union zeigt, dass wir den internationalen Vergleich nicht scheuen müssen. Leipzig liegt im oberen Drittel bei der Zufriedenheit der Einwohner mit ihrer Stadt und den Zukunftsaussichten.
Die Frage ist: Wie nutzen wir diese Potentiale unserer Stadt, unserer Region?
Bereits mehrfach habe ich - nach meiner Vision für Leipzig 2015 befragt - fünf grundlegende Leitlinien dargelegt. Sie sind gewachsen aus dem Blick in die Vergangenheit und Gegenwart unserer Stadt und ihrer Stärken. Diese fünf Leitlinien dienen meiner Arbeit als stets gewärtige Orientierungspunkte:
- Leipzig muss eine wachsende Stadt sein.
- Leipzig soll sich künftig weiter stärker international definieren.
- Leipzigs Stärke ist seine pralle Kulturlandschaft.
- Leipzig muss eine Stadt des sozialen Zusammenhalts werden.
- Die engagierte Bürgerschaft soll eine noch größere Rolle spielen.
Richten wir unser Handeln auf diese Ziele aus, werden wir auch die Grundlagen für eine prosperierende Wirtschaft und sichere Arbeitsplätze erhalten und ausbauen.
Wie stellt sich derzeit die Lage von Wirtschaft und Arbeitsmarkt in Leipzig dar?
Der aktuelle Konjunkturbericht der Handwerkskammer zum Beispiel spricht von einer noch optimistischen Stimmung trotz einer Abkühlung der Entwicklung. Auch die Zahlen der Arbeitsagentur lassen Optimismus zu. Hatten wir im 1. Quartal 2006 mit 49.841 Arbeitslosen in Leipzig noch eine Quote von ca. 21%, so stehen wir aktuell im Mai 2008 mit 39.533 Arbeitslosen bei 15,7 %. Wir haben Grund zur Hoffnung, dass wir uns in den nächsten Monaten die 15% - Marke unterschreiten. Die Lücke zu Dresden und Chemnitz schließt sich langsam, aber stetig. Zum September 2007 konnten 205.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit Arbeitsort in Leipzig vermeldet werden. Das sind 15.000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplatze mehr in zwei Jahren! Drei Milliarden Euro Umsatz wurden 2007 von Betrieben mit über 50 Mitarbeitern im internationalen Geschäft erzielt, 2005 war es nur eine Milliarde.
So positiv uns diese Entwicklung scheint, so bleibt die hohe Arbeitslosenquote Ansporn. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass langzeitarbeitslose Menschen nicht am bisherigen Aufschwung teilhaben: etwa die Hälfte der Arbeitslosen in Leipzig sind Langzeitarbeitslose! Deutliches Indiz dafür ist die Stagnation der Zahl der Bedarfsgemeinschaften auf hohem Niveau. Mit derzeit 47.500 befinden wir uns trotz Beschäftigungszunahme auf dem Stand vom September des letzten Jahres.
Es gibt aber auch Erfolgsgeschichten aus dem Mittelstand wie die von der Neon- und Elektroanlagenbau Leipzig GmbH oder von der Spreadshirt AG oder der BBG Bodenbearbeitungsgeräte. Die Großansiedlungen von Porsche, BMW und DHL haben mehrere Tausend sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen.
Allein bei DHL sind es aktuell 2.200 - bis zum Jahr 2012 sollen es 3.500 werden. Die Ansiedlung von DHL hat einmal mehr gezeigt, dass Stadtverwaltung und das SMWA im Wettbewerb der Regionen rasch und verlässlich zugunsten des Wirtschaftsstandortes handeln.
Anrede,
an dieser Stelle möchte ich daher nochmals hervorheben, dass wir uns klar zu der Standortentscheidung von DHL bekennen. Wir brauchen uneingeschränkten Nachtflugbetrieb, wir brauchen die Ausweitung der Logistikbranche, wir brauchen unseren Flughafen als Wirtschaftsmotor. Ich warne davor, durch eine falsche, polarisierende Diskussion tausende Arbeitsplätze zu gefährden. Dabei wollen wir die Menschen mitnehmen, auch die vom Nachtflugbetrieb Betroffenen.
Anrede,
Was können wir konkret als Stadt tun?
Wir wissen, dass nicht wir, sondern die Wirtschaft Arbeitsplätze schafft. Die IHK verweist in ihrer Stellungnahme an erster Stelle sehr deutlich auf die Förderung des Ersten Arbeitsmarktes. Aber auch die Pflege der ansässigen Unternehmen durch Netzwerkmanagement, die Förderung der Berufsaus- und Weiterbildung rangieren weit vorn.
Die Stadt als Teil der Wirtschaft
Wer über Arbeit in Leipzig redet, muss über unsere kommunalen Wirtschaftsunternehmen sprechen. Da sind die Eigenbetriebe, unsere Tochterunternehmen, Beteiligungen und die Stadtverwaltung als Arbeitgeber selbst.
Mit dem Bürgerentscheid vom 27. Januar des Jahres gab es auch ein eindeutiges Votum für die kommunale Wirtschaft. Die kommunalen Unternehmen sind und bleiben eines der wichtigsten Standbeine des Gemeinwesens und dies im kommunalen Eigentum.
Unsere kommunalen Unternehmen sind Gemeinbesitz der Bürgerschaft und dieser gegenüber verpflichtet. Das bedeutet zum einen die soziale Verantwortung dieser Unternehmen als Arbeitgeber, zum anderen sind sie gegenüber dem Standort hinsichtlich der Infrastruktur und den strategischen Zielsetzungen der Stadt, wie zum Beispiel unseren Umweltzielen, verpflichtet.
Mit ihren Unternehmen, Beteiligungen und Eigenbetrieben ist die Stadt mit mehr als 15.000 Beschäftigten ein bedeutender Arbeitgeber. Um nicht missverstanden zu werden: Unsere kommunalen Unternehmen und die Verwaltung sind zu hoher Wirtschaftlichkeit verpflichtet, es sind keine Beschäftigungsgesellschaften. Ob der Beschäftigungsstand unter den derzeitigen Wettbewerbsbedingungen gehalten werden kann, bleibt abzuwarten. Die Wertschöpfung hier in Leipzig und die Finanzierung eines leistungsfähigen ÖPNV innerhalb des LVV-Konzerns sind Eckpfeiler dieses Wirtschaftskreises. Zudem sind diese Unternehmen durch eine gezielte Vergabepolitik größter Auftraggeber in der Region für den Mittelstand.
Anrede,
es ist eine schlichte Tatsache: Die öffentliche Hand ist ein zentraler Garant einer prosperierenden Wirtschaft, gerade im Osten Deutschlands. Natürlich muss über neue Formen von Wirtschaftskooperationen nachgedacht werden. Aber jede wilde Privatisierung ist zu meiden, die den Zusammenhang von öffentlichen Investitionen, Gemeinwohl und Prosperität verkennt. Ich möchte all denen eine Absage erteilen, die die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen einschränken wollen.
Die Stadt als Investor
Als einer der größten Auftraggeber ist die Stadt Leipzig auch Garant für das Wachstum mittelständischer Unternehmen. Wir werden alles daran setzen, dass der Haushalt wieder stärker auf Investitionen ausgerichtet werden kann. In den letzen beiden Jahren ist der Schuldenstand zum ersten mal gesenkt worden, 1772 ?? pro Kopf, das schafft Freiräume für Investitionen.
Der zweite Arbeitsmarkt
Wenn wir über Arbeit in Leipzig sprechen, dann müssen wir ehrlich bekennen, dass eine viel zu hohe Zahl von Menschen auf Zeit oder dauerhaft keine Beschäftigung findet. Dies fängt in der Berufsausbildung an und setzt sich in Arbeitsfeldern fort, die durch Rationalisierung und Prekarisierung geprägt sind. Diesen global verursachten Entwicklungen können wir als Kommune nur sehr bedingt entgegenwirken.
Wir brauchen hochwertige Arbeitsplätze und ebenso Arbeit für geringer Qualifizierte. Jeder Arbeitsplatz zählt.
Ich begrüße außerordentlich die Anstrengungen der Unternehmen, die auch im Niedriglohnbereich Arbeitsplätze schaffen. Aber auch hier gilt: Die hart arbeitenden Menschen in diesem Bereich müssen von ihrem Lohn leben können!
Ohne den Ausführungen von Herrn Bürgermeister Albrecht vorzugreifen: Am letzten Mittwoch hat die Ratsversammlung einstimmig der Verwaltungsvorlage zum Kommunal-Kombi zugestimmt. Die Stadtverwaltung hat bereits 500 Anträge beim BVA vorliegen. Die nichtkommunalen Träger werden jetzt nachfolgen können. An der Umsetzung dieser neuen Möglichkeiten zur Beschäftigungsförderung werden wir gemessen werden, ob es uns gelingt, Langzeitarbeitslose in den Arbeitsprozess wieder eingliedern zu können.
Anrede,
lassen Sie mich mit einigen Thesen zusammenfassen:
- Leipzig ist eine wachsende Stadt. Sie wächst als Wirtschaftsregion, als Wissenschafts- und Bildungsstandort und durch ein attraktives Wohnumfeld und demographisch durch familienfreundliche Bedingungen.
- Die Ansiedlungspolitik hat gute Ergebnisse erzielt mit der Schaffung von Arbeitsplätzen, der Wertschöpfung vor Ort und der Erhöhung des Steueraufkommens. Insbesondere die Internationalisierung ist unsere Chance.
- Mit einer starken kommunalen Wirtschaft können wir unsere Verpflichtungen zur Daseinsvorsorge erfüllen und darüber hinaus entscheidende Beiträge für die Konjunktur leisten, die Investitionsquote muss trotz Entschuldungskurses gesteigert werden.
- Nur mit einem ambitionierten Programm zur Beschäftigungsförderung kann es uns gelingen, den sozialen Zusammenhalt hier in Leipzig zu erhalten und zu stärken. Unsere dringlichste Aufgabe ist es, die hohe Arbeitslosenquote, insbesondere bei Langzeitarbeitslosen zu bekämpfen.
Anrede,
Nein, mir ist nicht bange, wir sind in Leipzig gut unterwegs, wir haben alle Potenziale, im internationalen Wettbewerb weiter aufzuschließen. Ohne uns selbst zu beschwichtigen: Nutzen wir aktiv unsere Chancen.
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