Mit dem Begriff „Spaziergang“, der seit einigen Wochen in Sachsen und auch Leipzig in Messenger-Diensten oder sozialen Netzwerken beworben wird, soll offensichtlich die Anzeigenpflicht für Versammlungen gemäß § 14 Abs. 1 Sächsisches Versammlungsgesetz (SächsVersG) und weitergehende versammlungsrechtliche Rahmenbedingungen umgangen werden. Zugleich werden die Teilnehmer aufgefordert, „mit Abständen loszuspazieren“ um „Ansammlungen“ zu verhindern, die nach den Vorschriften der Sächsischen Corona-Notfall-Verordnung (SächsCoronaNotVO) untersagt sind. Dies suggeriert einen rechtskonformen Protest.
Nach der Definition in § 1 Abs. 3 des sächsischen Versammlungsgesetzes ist jedoch jede „örtliche Zusammenkunft von mindestens zwei Personen zur gemeinschaftlichen überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung“ eine Versammlung. Für eine Einstufung als Versammlung ist es weder erforderlich, dass die Betreffenden ihre Zusammenkunft selbst als Versammlung bezeichnen, noch, dass sie ihre Meinung verbal äußern.
Die Versammlungsbehörde macht darauf aufmerksam, dass auch nonverbale Äußerungen eine eigenständige Aussage im Sinne einer Willensbekundung des „spazierenden“ Teilnehmerkreises darstellen und dies somit den Sachverhalt einer Versammlung nach Sächsischem Versammlungsgesetz eröffnet. Insofern stehen die in Form von „Spaziergängen“ organisierten Versammlungen zum einen unter dem Schutz des Grundgesetzes, zum anderen unterliegen sie dem Regelungsrahmen der Sächsischen Corona-Notfall-Verordnung, die das Versammlungsrecht einschränkt.
Im Zuge der „Spaziergänge“ ist in den letzten Wochen eine erhöhte Aggressivität bzw. ein gesteigertes Gewaltpotential festzustellen. Die damit einhergehende gesteigerte Übertragungsgefahr des Corona-Virus zwingt die Polizei- und Sicherheitsbehörden, restriktiver gegen unzulässige Versammlungen vorzugehen.