Rund 900 Objekte umfasst die Schau "Deutsche Mythen seit 1945". So steht etwa für die "Stunde Null" das Modell des Dresdner Trümmerfrauen-Denkmals von 1952, für das westdeutsche "Wirtschaftswunder" der legendäre VW-Käfer "Ovali" von 1955, für den Mythos der "Fußballnation" das Trikot von Jürgen Sparwasser, der 1974 die DDR-Elf zum Sieg über die Bundesrepublik schoss.
Mythen bilden einen wichtigen Teil nationaler Erinnerung, die auch auf diese Weise über Generationen weitergegeben wird. Mit mythischen Erzählungen stärken Nationen ihre Identität. Alte Mythen, wie sie andere Länder bis heute bewahren, sind allerdings in Deutschland fast vergessen. Die Tradition brach 1945 nach dem Missbrauch durch die Nationalsozialisten weitgehend ab.
Gründungsmythen in Ost und West
Doch welche neuen Erinnerungserzählungen pflegen die Deutschen heute? Ganz wichtig sind da zum Beispiel Gründungsmythen. In Westdeutschland galten sie dem Aufstieg aus den Trümmern des Krieges, hart erarbeitet mit Fleiß und kluger Politik, verbunden mit dem Mythos der D-Mark. Ihnen stehen in der DDR die von der SED-Diktatur gesetzten Mythen vom "Arbeiter- und Bauernstaat" gegenüber, gegründet als "Erbe der Antifaschisten" nach der "Befreiung durch die siegreiche Sowjetunion".
Seit 1990 entwickeln die Deutschen eine neue gemeinsame Gründungserzählung. Sie verbindet die Erinnerung an die friedliche Revolution von 1989 mit der Wiedervereinigung. Viele mythische Erzählungen haben in Ost und West ihre Wurzeln in der deutschen Selbstverpflichtung zum Frieden und zur Abgrenzung von der nationalsozialistischen Vergangenheit.
Aktuelle Mythen in Politik, Wirtschaft und Medien
Aktuelle Mythen präsentieren die Deutschen als vorbildliche Europäer, als Vorreiter im Umweltschutz oder als siegreiche Fußballer. Anhand der Kampagnen "Du bist Deutschland" und "Wir sind Papst!" zeigt die Ausstellung Versuche gezielter Mythenbildung durch Politik, Wirtschaft und Medien.
Für Nationen sind politische Mythen auch im 21. Jahrhundert zentrale Identitätsgrundlagen. Die darin verdichtete Erinnerung mobilisiert Selbstbewusstsein und Zuversicht und kann so stark machen für kommende Herausforderungen.
Die Ausstellung "Deutsche Mythen seit 1945" ist bis 15. Januar 2017 im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig, Grimmaische Straße 6, zu sehen. Der Eintritt ist frei.