Bauhaus-Bauwerke in Leipzig
Krochsiedlung
Die Krochsiedlung wurde von 1929 bis 1930 erbaut. Das Gemeinschaftsprojekt der Architekten Paul Mebes, Paul Emmerich, Johannes Koppe, Adolf Muesmann und Max Fricke befindet sich im Leipziger Stadtteil Gohlis. Der jüdische Bankier Hans Kroch, der auch das Krochhaus in der Goethestraße in Auftrag gab, finanzierte das Projekt mit. Die Krochsiedlung stellt eines der wichtigsten Zeugnisse der Architektur der klassischen Moderne in Leipzig dar.
Die Krochsiedlung wurde als erste Bauetappe einer geplanten Wohnstadt "Neu-Gohlis" geplant. Die unweit gelegene Versöhnungskirche sollte im Mittelpunkt der neuen Siedlung liegen. Das Projekt wurde jedoch nie vollendet. Damals verkörperte das Wohngebiet neuzeitliche Wohnkultur, die der Wohnungsnot in der späten Weimarer Republik Abhilfe schaffte. In den drei- und viergeschossigen Mehrfamilienhäusern befinden sich bis heute 1018 Wohnungen mit für den Bauhaus charakteristischen Wintergärten, die in den 1990er Jahren umfassend saniert wurden.
Um das architekturhistorische und geschichtliche Erbe der Krochsiedlung zu pflegen, wurde 1991 der "Bürgerverein Krochsiedlung e. V." gegründet. Dieser hat eine der Wohnungen für öffentliche Besichtigungen im originalen Stil der 1930er Jahre eingerichtet.
Versöhnungskirche
Die Versöhnungskirche wurde von 1930 bis 1932 nach einem Entwurf des Bauhaus-Architekten Hans Heinrich Grotjahn erbaut. Sie stellt ein wichtiges Beispiel für Kirchenbau der klassischen Moderne dar. Der Stahlbetonskelettbau entstand in bewusster Modernität. Der Architekt legte besonderen Fokus auf die Senkrechte durch Körperkanten und Wandöffnungen und hatte damit eine neuzeitliche Interpretation zu gotischen Kirchenbauten entdeckt.
Der Eingangsbereich der Kirche ist vor allem von einem Kreuzfenster aus Beton und einer farbigen Glasfüllung geprägt und bildet damit das Hauptmerkmal des Baus. Den Innenraum der Kirche ziert eine für den Bauhaus typische, auffällig klar gegliederte und bescheidene Einrichtung, die mit Bildkunstwerken ergänzt wird. Das heutige Wahrzeichen von Neu-Gohlis ist der weiße, hoch aufragende, 39 Meter hohe Glockenturm. Wegen der Gegebenheiten des Bauplatzes verzichtete man auf die übliche östliche Orientierung des Chores beim Kirchenbau. Die Kirche erstreckt sich daher in Süd-Nord-Richtung. Die Versöhnungskirche liegt in unmittelbarer Nähe zur gleichartig entworfenen Krochsiedlung.
Westbad
In den Jahren 1928 bis 1930, zur Zeit der wirtschaftlichen Rezession, entstand im Leipziger Westen eine sehr moderne Schwimmhalle. Geplant wurde das Gebäude durch den bekannten Bauhaus-Architekten und damaligen Stadtbaudirektor Hubert Ritter.
Mit dem Bauwerk wurde eine Multifunktionalität angestrebt, die Wettkampfsport, schulischen Schwimmunterricht und öffentlichen Badebetrieb beinhalten sollte. Das Gebäude wird strukturell beherrscht durch die Schwimmhalle mit dem großen Becken - den heutigen Veranstaltungssaal - dessen Boden zugleich die Deckenkonstruktion des darunter liegenden, kleineren Schwimmbeckens bildet. Das Westbad knüpft an die Tradition der Volksbäder der Jahrhundertwende an und gehört zu den bedeutendsten Bauwerken Ritters früher Schaffensperiode.
Das Westbad wurde kürzlich saniert und ist ein Bauhaus-Denkmal im durch Kunst und alternative Lebenskultur geprägten Westen Leipzigs. Der Ort verbindet den geradlinigen Charme und die Finesse der Bauhaus-Architektur mit modernster Technikausstattung und beeindruckt mit einer 14 Meter hohen Kuppeldecke, die ganz ohne Stützen und Säulen auskommt.
Stelzenhaus
Als in Vorbereitung auf den Zweiten Weltkrieg die Kriegsproduktion angekurbelt wurde, entstand von 1937 bis 1939 das Stelzenhaus als Erweiterung der Wellblechfabrik und Verzinkerei Grohmann & Frosch in Plagwitz. Die Firma fertigte Bleche für den U-Boot- und Flugzeugbau und wurde deshalb als kriegswichtig eingestuft. Das Stelzenhaus ist eines der interessantesten Beispiele für Bauwerke der industriellen Moderne in Leipzig.
Die Planung übernahm Architekt Hermann Böttcher. Mit seinem Entwurf schuf er ein herausragendes Beispiel für Industriearchitektur in der Nachfolge der klassischen Moderne. Die Funktionalität des Gebäudes steht dabei im Vordergrund. Die Baumaterialien Backstein und Beton unterstützen diesen Anspruch. Aus Platzmangel entwarf der Architekt die Stahlbetonkonstruktion auf hohen Stelzen, die dem Komplex seinen Namen gaben: Die massive Lagerhalle schwebt gewissermaßen über dem Wasser des Karl-Heine-Kanals - eine Seltenheit.
Der Standort am Elster-Saale-Kanal war schwierig zu bebauen, da die Fläche direkt an der Böschung zum Kanal liegt. Trotzdem entschied man sich wegen des geplanten Kanalausbaus zur Elbe für diesen Standort, denn so wäre eine Verbindung zum Hamburger Hafen möglich gewesen. Es wurden 101 Betonpfeiler im Kanal verankert, welche die Grundplatte des Baus stützen und die vier Teile des Industriebaus tragen. Die Front am Kanal ragt über das Wasser hinaus. Heute befindet sich in dem Gebäude neben Atelier- und Büroräumen auch ein Restaurant.
Kohlrabizirkus (ehemals Großmarkthalle)
Der Bau der Großmarkthalle dauerte von 1928 bis 1930 und war mit einem Weltrekord verbunden. Die zwei Massivkuppeln als Dachkonstruktion gelten als Meisterleistung des Stahlbetonbaus. Erarbeitet wurde das Konzept vom Leipziger Stadtbaurat Hubert Ritter. Die Kuppeln selbst wurden von Ingenieur Franz Dischinger vom Bauunternehmen Dyckerhoff & Widmann in den Jahren 1928/29 errichtet.
Die Markthalle wurde zu Zwecken des Gemüsehandels der Stadt Leipzig geplant. So entstand auch der Name Kohlrabizirkus. Der Standort wurde nahe der Eisenbahnlinie gewählt, was einen schnellen und kostengünstigen Lieferweg ermöglichte.
Die achteckigen Kuppeln der international beachteten Großmarkthalle stehen auf 13 Meter hohen Stahlbetonpfeilern, die im Abstand von 30 Metern positioniert sind. Sie sind 29 Meter hoch und bilden ein rundes Oberlicht. Das Gebäude der klassischen Moderne wird heute als Eisdom mit Deutschlands größter Indoor-Eislauffläche, für Zirkusveranstaltungen, Flohmärkte und Ausstellungen genutzt.
Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) - Lipsius-Bau
Das Gebäude der HTWK (Lipsius-Bau) wurde in den Jahren 1922 bis 1926 als Verwaltungsgebäude der Oberpostdirektion Leipzig gebaut. Der Entwurf für das Gebäude von Postbaurat Wilibald Seckt entstand in der Blütezeit des Art-déco-Stils. Dennoch lassen sich an der klar gestalteten und schnörkellosen Außenfassade auch Gestaltungselemente des Bauhaus-Stils erkennen.
Im Krieg nur wenig zerstört, beherbergte es die Oberpostdirektion bis Anfang der 1950er Jahre, anschließend den Rat des Bezirkes Leipzig und nach 1990 das Regierungspräsidium Leipzig. In den Jahren 1997 bis 2001 wurde der Lipsius-Bau von einem Verwaltungsgebäude in ein Hochschulgebäude umgebaut. Aus zahlreichen Büroräumen entstanden zwanzig Seminarräume, drei Hörsäle und mehr als fünfzehn Laborräume. Namenspatron des Lipsius-Bau ist Constantin Lipsius, ein für Leipzig bedeutender Architekt des 19. Jahrhunderts.
Konsumzentrale
Der "Consum-Verein für Plagwitz und Umgegend" entstand 1884, um die unteren Gesellschaftsschichten mit preisgünstigen Konsumgütern zu versorgen. Schon bald gehörte der Verein zu den größten in Deutschland. So wurden die Verwaltungs- und Produktionsgebäude, in dem sich unter anderem Bäckerei, Molkerei, Mühle, Fleischerei und Kaffeerösterei befanden, schnell zu klein.
Das neue Gebäude wurde 1930 nach den Plänen von Fritz Höger, einem führenden Vertreter des norddeutschen Klinker-Expressionismus, gebaut. Zu seinen bevorzugten Stilelementen zählte die Verwendung von Klinker zur Fassadengestaltung, was er auch in Leipzig einsetzte. Dazu verwendete er Meißner Verblendklinker.
Der 180 Meter lange mit Klinkern verkleidete und mit Mauerwerk ausgefachte Stahlbetonskelettbau entlang der Industriestraße ist ganz auf die horizontale Wirkung gerichtet. Diese ist markant gestaltet durch Fensterbänder über die gesamte Fassade und den wie ein Trichter geformten Haupteingang. Der Bau mit seinen waagerechten Gliederungen und den Schüsselscheiben der Fensterverglasungen erzeugt den Eindruck eines vorbeifahrenden Schiffs. In diesem Zusammenhang greift auch das durchdachte Treppenhaus mit seinen türkisblauen Wandfliesen und dem zinnoberroten Geländer Motive der Schifffahrt auf. Weitere stilistische Elemente sind die vergoldeten Klinker und die Schlüsselscheiben. Die Konsumzentrale in Plagwitz kann als das Werk Fritz Högers bezeichnet werden, welches am deutlichsten den Gedanken der Moderne in der Architektur entspricht.
Nibelungensiedlung (Rundling)
Nach dem Ersten Weltkrieg war die Wohnungslage in Leipzig kritisch - es fehlten 13.000 Wohnungen für 26.000 Wohnungssuchende. Diese neuen Anforderungen vereinte der Architekt Hubert Ritter in seiner kommunalen Rundbebauung in Lößnig, die von 1929 bis 1930 andauerte. Er orientierte sich an Bauten der Jungsteinzeit, die in Kreisstrukturen angeordnet waren. Der sogenannte Rundling wurde im Stile des Bauhaus errichtet und war Ritters Vision von modernem Wohnen. Die Kreisstruktur bündelt das Siedlungsleben und unterstreicht den Gemeinschaftscharakter des Wohngebietes. Die kreuzartig die Ringe durchschneidenden Quartierstraßen sind Sichtachsen, Gliederungselemente und Zugänge zugleich.
Er nutzte die ansteigende Bodenformation für eine Ringbebauung und ließ den inneren Ring noch ein Stockwerk höher bauen. Insgesamt besteht der Rundling aus 24 Häusern und weist am äußeren Ring einen Durchmesser von 300 Metern auf. Die Abstände der Häuser im mittleren Ring sind größer gelassen worden, um Blickbeziehungen von allen Punkten herzustellen.
Der Rundling beherbergt 609 Wohnungen in unterschiedlichen Größen und Grundrissen. Jede einzelne davon ist so konzipiert, dass sie optimale Lichtverhältnisse gewährleisten kann. Großen Wert wurde auch auf die Grünanlagen um die Gebäude herum gelegt. Ursprünglich gab es sogar ein Planschbecken in der Mitte des Rundlings, heute sind dort Rosen angepflanzt.
Europahaus
In den Jahren 1928 bis 1929 wurde das Europahaus als zweites Hochhaus nach dem Krochhaus gebaut. Die Pläne dafür entwickelte der Leipziger Architekt Otto Paul Burghardt. Es ist nicht wie das Krochhaus an historischen Vorgängern orientiert, sondern ganz der Moderne zugetan. Dabei wurde auf die Monumentalität, die in Amerika praktiziert wurde, verzichtet. Der Architekt legte Wert darauf, dass das Hochhaus in das Stadtbild Leipzigs passte.
Das Europahaus überragt mit seinen 54 Metern Höhe seinen Vorgänger nur um 13 Meter. Es beherbergt einen 13-geschossigen turmartigen Mittelbau und zwei siebengeschossige Seitenflügel. Die Fassade ist mit Muschelkalkplatten versehen. 1965 wurde die Eingangshalle bei einem Umbau mit Pfeilarkaden geschmückt. Bei dem Umbau ging allerdings die gastronomische Nutzung der Dachterrasse verloren.
Das Haus wurde nicht mit Ornamenten oder anderen Schnörkeln verziert. Das einzige Element, das der Verschönerung dient, ist die horizontale Beschriftung "Europahaus" zwischen der sechsten und siebten Etage. Auch die Reihen kleinteilig gegliederter Fenster dienen der Funktionalität. Ansonsten betonen nur die Pfeiler zwischen den Fenstern die vertikale Ausrichtung.
Gutenbergschule
Die beeindruckende Schulgebäude der heutigen Gutenbergschule wurde von 1927 bis 1929 erbaut und von Otto Droge für den deutschen Buchdruckverein, die Buchdrucker-Lehranstalt und die Meisterschule für das grafische Gewerbe entworfen. Der Architekt ließ in den Bau verschiedene Stilrichtungen einfließen. An der Fassade dominiert der Bauhausstil, im Inneren Art déco und Backsteinexpressionismus.
Die Gutenbergschule mit ihrer klaren, schnörkellosen Form orientiert sich sowohl an der funktionalen und klaren Bauweise des Bauhaus als auch an den auf Technik und Naturwissenschaft ausgelegten rationalen Bildungszielen. Die hellen Putzfassaden sind durch sparsame Verwendung von Rochlitzer Porphyr horizontal gegliedert. Das Hauptgebäude besitzt eine turmartige Erhöhung, die die Zifferblätter einer Uhr zieren. In Eingangsbereich und Sockelzone dominiert Rochlitzer Porphyr. Grundsätzlich wurde auf dekorative Elemente, die bisher die Bauten des Architekten prägten, verzichtet.
Heute befindet sich in der Gutenbergschule das berufliche Schulzentrum der Stadt Leipzig. Es werden etwa 1.800 Schüler in rund 80 Klassen durch 78 Lehrer unterrichtet.