Die Spuren des Bauhauses in Leipzig
Auch die Leipziger Bauhaus-Architekten bündelten sowohl ihre individuellen Erlebnisse der Kriegs- und Nachkriegsjahre als auch Beispiele aus ihrem künstlerischen Umfeld in ihrer Arbeit. Stadtbaurat James Bühring nahm sich die Klinkerarchitektur als Vorbild für seine architektonischen Vorhaben in Leipzig, die vor allem dekorative Inspiration verkörperte. Daraus entstand gemeinsam mit den expressiven Konturen des Art déco eine Stilfusion, die im Volksmund "Zackenstil" genannt wurde. Auch der Leipziger Stadtbaurat Hubert Ritter war von dieser Fusion der Stilrichtungen beeindruckt und bezog sie in den Entwurf für den Bau des Grassimuseums und die Gestaltung der eindrucksvollen "Pfeilerhalle" ein. Sie gilt als einer der schönsten Innenräume des deutschen Art déco und strahlt seit ihrer Sanierung 2010 wieder in voller Pracht. Das Grassimuseum ist heute einer der größten Museumskomplexe Deutschlands und beherbergt drei Museen von internationaler Bedeutung.
"Neues Bauen" in Leipzig
Die Entwürfe des kommunalen Bauens erhielten zunehmend eine Orientierung in Richtung des so genannten "Neuen Bauens", da Hubert Ritter von seinen Beziehungen zum Bauhaus in Dessau und den Entwicklungen im fortschrittlichen Städtebau beeinflusst wurde. Vor allem der Bau von Wohnanlagen, der Neubau von Schulen und die Großmarkthalle (heute Kohlrabizirkus) folgten diesem Architektur-Konzept. Die Nibelungensiedlung im Stadtteil Lößnig, die volkstümlich "Rundling" genannt wird, ist Zeugnis der modernen Bauhaus-Architektur Ritters sowie der Wohnungsnot nach dem Ersten Weltkrieg. Die als Kreis konzipierte Wohnsiedlung mit mehreren Reihen ist so angelegt, dass sie den Wohnungen optimale Lichtverhältnisse gibt. Die Gutenbergschule, erbaut von 1927 bis 1929 von Otto Droge, widmet sich ebenfalls dem Stil des "Neuen Bauens".
Private Architekten wurden hingegen bei städtischen Aufgaben wenig eingebunden. Deshalb teilten sie Ritters Vorliebe zum "Neuen Bauen" nur in geringem Maß. Neben diversen Einfamilienhäusern zeugen vor allem die von Hans Heinrich Grotjahn entworfene Versöhnungskirche in Leipzig-Gohlis sowie die nahegelegene Krochsiedlung, von Hans Kroch mitgestaltet und mitfinanziert, von dieser Entwicklung. Auch das Krochhaus in der Goethestraße trägt die Handschrift des jüdischen Bankiers Hans Kroch. Es war das erste Hochhaus Leipzigs. 1928 folgte das Europahaus als zweites Hochhaus. Die Pläne dafür entwickelte Otto Paul Burghardt.
Charakteristisch für den Industriebau war hingegen die Nutzung roter Buntklinker, ein Erscheinungsbild, das vor allem bei der 1930 von Fritz Höger entworfenen Konsumzentrale sowie beim Stelzenhaus sichtbar wird.
Hier finden Sie eine Übersicht der Bauhaus-Bauwerke in Leipzig mit Foto.
Der "Bauhaus-Lesesaal" am Deutschen Platz
Im Gebäude der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig gibt es einen wenig bekannten Lesesaal im Stil des Bauhauses. Der Lesesaal wurde 1937 eröffnet und ist unter anderem mit Freischwingern des Bauhäuslers Mart Stam ausgestattet.
Dass sich hinter der prachtvollen Fassade der Deutschen Nationalbibliothek auch ein Lesesaal aus den 1930er-Jahren im Stil des Bauhauses versteckt, ist bislang kaum bekannt. Während 1933 die damalige Deutsche Bücherei dem Propagandaministerium unterstellt wurde, entstand im Südostflügel des Hauses der heutige Lesesaal Naturwissenschaften in überraschend zeitgemäßem Gewand. Ob die Stahlrohr-Freischwinger des Bauhäuslers Mart Stam oder die schwarzen Tische, ob die dunkelgrünen Schirmleuchten, die tropfenförmige Deckenleuchten, die mit geschwungenen Metallrohren gesicherte Balustrade oder die ziffernlose Wanduhr: Die Einflüsse des Bauhauses sind unübersehbar. Als der Lesesaal 1937 eröffnet wurde, hing über den Bauhaus-Stühlen ein Relief Adolf Hitlers. Der Lesesaal zeigt eindrucksvoll die Verbreitung der Bauhaus-Ästhetik auch noch zu Zeiten des Nationalsozialismus.
In circa 90-minütigen Führungen können Sie ausgiebig auf den Bauhaus-Freischwingern probesitzen, erfahren, warum zwei Wandgemälde noch vor Eröffnung des Lesesaales wieder verschwanden, und einige besondere Bauhaus-Publikationen aus dem Bestand der Deutschen Nationalbibliothek sehen. Die Führung findet an wechselnden Terminen im Bauhaus-Jubiläumsjahr statt. Die genauen Termine finden Sie im Veranstaltungskalender auf der Webseite der Deutschen Nationalbibliothek. Die Führungen sind kostenlos und barrierefrei.
Niemeyer Sphere, Kirow-Werke Leipzig
Auf dem Gelände der Techne Sphere Leipzig, Spinnereistraße 13, wird das vom brasilianischen Architekten Oscar Niemeyer entworfene Restaurant in Form einer Kugel eröffnet.
Niemeyer wurde 1907 in Rio de Janeiro geboren und gilt als einer der bedeutendsten Architekten moderner Architektur. Er war unter anderem Planer für die brasilianische Hauptstadt Brasilia. Nach seinem Tod 2012 wurden seine architektonischen Zeichnungen und Baupläne von der UNESCO zum Weltdokumentenerbe erklärt. Das kugelförmige Restaurant in Leipzig entsteht scheinbar schwebend über der jetzigen Kirow-Werkskantine.
Ludwig Koehne, Gründer der Techne Sphere Leipzig, kannte Oscar Niemeyer persönlich und bat ihn um einen Entwurf während einer Reise nach Brasilien im Jahr 2011. Durch den ausführenden Architekten Harald Kern und mit der baulichen Begleitung von Jair Valera, der seit 1976 im Büro von Oscar Niemeyer arbeitet, kann der Bau in Leipzig realisiert werden. Weitere Informationen finden sie unter www.technesphere.de/niemeyer-sphere.