Fischer, Philine geborene Franke, verheiratete Fischer-Sannemüller - Leipziger Frauenporträts
Philine Fischer in der Rolle der Eurydike 1945 © Stadtgeschichtliches Museum LeipzigBilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Musik
- Tanz/ Theater
geboren/ gestorben
1. Februar 1919 (Leipzig) - 22. Januar 2001(Leipzig)
Zitat
"Es gibt nicht allzu viele Sängerinnen, die die Skala von der Soubrette über die Lyrische und Jugendlich-Dramatische bis ins schwere Charakterfach singen durften und konnten. Dafür bin ich dankbar." (Lange, Garderobengespräch, Seite 30)
Kurzporträt
Philine Fischer war eine bekannte Sopranistin, die über stimmliche Möglichkeiten wie die Primadonnen der Barockzeit verfügte. Künstlerische Erfüllung fand sie in der Interpretation Händelscher Opern. Sie hatte maßgeblichen Anteil an der Händel-Renaissance zwischen 1953 und 1967 in Halle.
Herkunftsfamilie
- Vater: Arno Franke (1888 Erlau bei Mittweida - 1953 Leipzig), Bibliothekar in der Deutschen Bücherei, Leipzig.
- Mutter: Elisabeth Franke, geborene Walther (1889 Pegau - 1956 Leipzig).
Biografie
„Leipzig ist meine Heimatstadt, und ihr blieb ich immer verbunden“, erklärte Philine Fischer 1983 in einem Interview in der Zeitschrift „Theater der Zeit“. Die spätere Sängerin wuchs in einem „geistig und musisch aufgeschlossenen Haus“ auf. Nach der Schule studierte sie von 1936 bis 1941 Gesang am Leipziger Konservatorium, wo sie eine Freistelle erhielt. Ihre Lehrer waren Ilse Helling-Rosenthal, Fritz Polster und Erna Westenberger. Bereits als Studentin wurde sie in großen Oratorienaufführungen als Solistin eingesetzt, etwa in Joseph Haydns „Schöpfung“ und in Richard Strauss' „Deutscher Motette“. Noch während des Studiums heiratete sie den Kirchenmusiker Ulrich Fischer (1913-1993), auf dessen Rat hin sie anfangs als Lied- und Oratoriensängerin tätig war. Nachdem ein Künstleragent sie 1942 bei einer Aufführung von Bachs „Kaffeekantate“ entdeckt hatte, entschied sie sich für eine Karriere am Theater. 1944 debütierte sie als Opernsängerin mit der Micaëla in George Bizets „Carmen“ am Landestheater Oldenburg.
Der Krieg zwang sie zur Rückkehr nach Leipzig. Von ihrem ersten Ehemann trennte sie sich damals freundschaftlich. In dem legendären Nachkriegskonzert des Gewandhausorchesters unter Leitung von Hermann Abendroth sang sie in der Thomaskirche am 2. August 1945 die Sopranpartie in Händels „Messias“. Für sie war es ein großer Triumph. Mitglieder der Leipziger Oper wie die Kammersängerin Margarete Bäumer, der Musikdirektor Paul Schmitz und der Intendant Hans Schüler hörten ihre Stimme und engagierten sie. An der Oper Leipzig debütierte Philine Fischer als „Ännchen“ in Webers „Freischütz“. Damals war das Haus „Dreilinden“ Spielstätte der Oper, da das Gebäude am Augustusplatz 1944 zerstört worden war. Mit der berühmten Choreographin Mary Wigman studierte die Sängerin 1947 die Rolle der Eurydike in der Aufsehen erregenden Inszenierung von „Orpheus und Eurydike“ von Christoph Willibald Gluck ein. In Leipzig wirkte sie nach eigener Aussage an etwa 25 Operninszenierungen mit. 1948 heiratete sie den Violinisten Horst Sannemüller (1918-2001).
Ihr Wechsel an das Landestheater Halle im Jahr 1952 traf in Leipzig auf wenig Verständnis. In einem Interview erklärte sie später: „Ich sah da eine unerhört lohnende künstlerische Aufgabe vor mir, mit der ich mich identifizieren konnte. Sie lautete: Händels Opern in neuer Sicht und in hoher künstlerischer Qualität aufzuführen. 14 Händel-Partien habe ich in 25 Jahren meines Engagements in Halle gesungen … Bis heute bin ich die Sängerin, die die meisten Händelopern auf der Bühne gesungen und gestaltet hat.“ (Lange, Garderobengespräch). Unter den von ihr verkörperten Händelschen Opernpartien waren die Deidamia, die Polissena („Radamisto“), die Mahamaya („Poros“) und die Zauberin Alcina.
Es war ein ausgesprochener Glücksfall, dass die Urheber der Händel-Renaissance in Halle, der Dirigent Horst-Tanu Margraf und der Regisseur Heinz Rückert, die 32-jährige Sopranistin in Leipzig entdeckt hatten. Deren stimmliche Eignung und bühnenwirksame Darstellungsweise entsprach ihren Vorstellungen von Authentizität bei der Wiederbelebung barocker Musikdramen. Mit ihrer klaren Sopranstimme und der seltenen Mischung von dramatischer Kraft und lyrischer Ausdrucksweise glich Philine Fischer den großen Primadonnen der Händelzeit, für die der Meister einst komponiert hatte.
Auch in London trat Philine Fischer wiederholt als Händel-Interpretin unter großem Beifall auf, übrigens als erste Sängerin aus der DDR. Ihr Repertoire umfasste 85 Opernpartien. Ihre Bühnenlaufbahn beendete sie 1980 mit der Rolle der Herodias in Richard Strauss' „Salome“.
Für ihr musikalisches Schaffen erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, wie 1956 den Kunstpreis der Stadt Halle, 1959 den Händelpreis, 1959 den Nationalpreis der DDR für Kunst und Literatur II. Klasse (Kollektiv der Händel-Festspiele), den Orden „Banner der Arbeit“ und den Vaterländischen Verdienstorden. Bei einem Gastspiel mit dem Händel-Ensemble in Hamburg wurde sie 1956 vom stellvertretenden Kulturminister Hans Pischner mit dem Titel „Kammersängerin“ geehrt. Sie war Ehrenmitglied in verschiedenen musikalischen Gesellschaften des In- und Auslands.
In einem Kunstprojekt der Freiraumgalerie am Hauptbahnhof Halle mit dem Titel „Wonderful Women Wall“ wird sie seit 2021 als eine jener Frauen dargestellt, die in der Stadt lebten oder tätig waren. Vergleichbare Ehrungen in Leipzig sind bisher nicht bekannt, da ihr Wirkungsort vornehmlich Halle war.
Philine Fischer ist Stammmutter der bekannten Musikerfamilie Fischer-Sannemüller-Krumbiegel. Dazu gehören die Tochter Cornelia Krumbiegel, geborene Fischer (*26.12.1941), Musikwissenschaftlerin und Sängerin, 1987-2002 Leiterin des Leipziger Bach-Museums, und der Sohn Matthias Sannemüller (*1951), Solobratschist im MDR, als Enkel: Martin Krumbiegel, Professor für Musikgeschichte, Tenor, Leiter der Capella Fidicinia e. V., Sebastian Krumbiegel („Die Prinzen“) und die Altistin Susanne Krumbiegel.
Auf ihre musikalisch hochbegabten Enkel war sie im Alter ausgesprochen stolz und behauptete gern, alle Talente hätten diese ausschließlich von ihr geerbt. Dabei sei wohl eine Generation übersprungen worden. Aber alle konnten letztlich darüber nur schmunzeln. Sie liegt auf dem Gohliser Friedhof am Viertelsweg begraben.
Werke
- Rundfunkaufnahmen, unter anderem von Bachkantaten mit dem Thomanerchor.
- Schallplattenaufnahmen:
- Georg Friedrich Händel, Poros (HWV 28), mit Philine Fischer, Margarete Herzberg, Günter Leib, Hellmuth Kaphan. Händelfestspielorchester, Leitung Horst-Tanu Margraf. Eterna (1958).
- Dmitri Schostakowitsch, Lady Macbeth von Mzensk. Dresdner Philharmonie. Leitung Carl von Garaguly. Eterna (1964).
Adressen in Leipzig
- ab 1919 Robert-Volkmann-Straße 3 (Reudnitz)
- 1940 -1949 Meißner Straße 1
- 1948 Fechnerstraße 15
- später Kleiststraße 8
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Ingeborg Stiehler: Mit dem Nationalpreis 1959 ausgezeichnet: Kammersängerin Philine Fischer. In: Kulturspiegel der Messestadt Leipzig. Leipzig. Band 6 (1959), Seite 753 und folgende
- Werner Wolf: Personalie: Opernsängerin Philine Fischer gestorben. In: Leipziger Volkszeitung, 25. Januar 2001, Seite 10
- Peter Korfmacher: Philine Fischer zum 100. Händels Wiedergeburtshelferin und Stammmutter einer Musiker-Dynastie. In: Leipziger Volkszeitung vom 31. Januar 2019
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Herbert A. Frenzel und Hans-Joachim Moser: Kürschners biographisches Theaterhandbuch. Berlin 1956
- The Music Review. Bände 19/20 (1958), Seite 306
- Alan Bush: Music and Musicians. 1959, Seite 13
- Heino Lüdicke: Händels Prinzessin und Mozarts Pamina. Gespräch mit Nationalpreisträgerin Philine Fischer vom Landestheater Halle. In: Neue Zeit, 30. Oktober 1959, Jahrgang 15, Ausgabe 254, Seite 4
- Marianne Tosetti: Beglückende Begegnung unter Händels Porträt. NZ-Gespräch mit Volkskammerkandidatin Philine Fischer. In: Neue Zeit, 7. Oktober 1963, Jahrgang 19, Ausgabe 234, Seite 6
- Ernst Krause (Herausgeber): Opernsänger. 44 Porträts aus der Welt des Musiktheaters. Berlin 1962
- The Musical Times. Band 106 (1965), Seite 619
- Wolfgang Lange: Garderobengespräch mit Philine Fischer. In: Theater der Zeit. Band 38 (1983), Heft 8, Seite 27-30
- Donald L. Hixon, Don A. Hennessee: Women in Music: an Encyclopedic Biobibliography. Metuchen, New Jersey 1993
- Fritz Hennenberg: 300 Jahre Leipziger Oper. Geschichte und Gegenwart. München 1993, Seite 104 und folgende
- Manfred Ratzer: Eine große Händel-Sängerin. In: Freundes- und Förderkreis des Händel-Hauses zu Halle. Mitteilungen. 1994, 3, Seite 46-51
- Manfred Ratzer: Verzeichnis der von Kammersängerin Philine Fischer verkörperten Opernpartien. In: Händel-Hausmitteilungen. Halle: Freundes- u. Förderkreis d. Händel-Hauses zu Halle. - 1994, 3, Seite 51
- Matthias Frede: Zum Tod von Philine Fischer. Protagonistin in der Händel-Renaissance. In: Mitteldeutsche Zeitung. [Halle], Jahrgang 12 (2001), 25.1.2001, Seite 21
- Karin Zauft: Mit ihr ging eine Ära der Händel-Interpretation zu Ende. In: Freundes- und Förderkreis des Händel-Hauses zu Halle. Mitteilungen. 2001.1, Seite 3-6
- Werner Wolf: Personalie: Opernsängerin Philine Fischer gestorben. In: Leipziger Volkszeitung, 25. Januar 2001, Seite 10
- Kutsch/Riemens: Großes Sängerlexikon. Band 2. 4. Auflage, München 2003, Seite 1476.
- Michael Pantenius: Primadonna mit liebenswerten Allüren. Philine Fischer (1919-2001), Sängerin und Händel-Interpretin. In: Gelehrte, Weltanschauer, auch Poeten. Halle 2006, Seite 234-236
- Karin Zauft: „Wir haben den Stein ins Rollen gebracht“. Zum 100. Geburtstag von Philine Fischer am 1. Februar 2019. In: Freundes- und Förderkreis des Händel-Hauses zu Halle. Mitteilungen. 2019, 2, Seite 60-63
- Karin Zauft: Philine Fischer. (1.2.1919-22.1.2001). Die einst gefeierte Diva der Händel-Oper wurde vor 100 Jahren geboren. In: Magazin der Händel-Festspiele. 2019, Seite 36
Für die freundlichen Auskünfte ist Frau Cornelia Krumbiegel, Leipzig zu danken.
Autorin: Sabine Knopf (2023)