Wallmüller, Helga, geborene Zehmisch - Leipziger Frauenporträts
Helga Wallmüller, 2001 © Andreas H. BirkigtBilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Fotografie
geboren/ gestorben
10. Januar 1926 (Leipzig) - 26. Juni 2021 (Leipzig)
Zitat
„Ich habe meine Arbeit gemacht, die ich geliebt habe, die mein Lebensinhalt war und die mich Zeit meines Lebens zwang, mich immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen.“ (Helga Wallmüller, Leipziger Volkszeitung v. 08.01.2016)
Kurzporträt
Helga Wallmüller gehört zu den Pionierinnen der Live-Theaterfotografie. Vier Jahrzehnte war sie Fotografin an den Leipziger Theatern. Ihre Bilder prägten das Erscheinungsbild der darstellenden Künste weit über Leipzig hinaus. Ihre Fotos der legendären „Ring“-Inszenierung von Joachim Herz gingen um die Welt.
Herkunftsfamilie
- Vater: Alfred Johannes Zehmisch, Webstuhlvorrichter;
- Mutter: Frieda Lena Zehmisch, geborene Pfeifer.
Biografie
Eigentlich wollte die am 10. Januar 1926 in Leipzig geborene Ruth Helga Zehmisch Sängerin werden, aber die Opernsängerin Margarete Bäumer riet ihr ab, da ihre Stimme nicht kräftig genug sei. Daraufhin begann sie, dem Rat der Eltern folgend, Ende der 1940er-Jahre eine Fotografenlehre bei dem bekannten Leipziger Fotografen Friedrich August Stenzel, der auch gern mal seinen Namen unter ihre Fotos setzte. Sie beschäftigte sich zunächst mit Porträt- und Modefotografie und begegnete dabei unter anderem Hans Albers, der 1943 auf dem Leipziger Hauptbahnhof zu ihr sagte: „Na, kleines Fräulein, soll ich mal stehen bleiben, damit Sie Ihr Bild bekommen“, und Johannes Heesters, den sie anlässlich seines Gastspiels am Leipziger Operettenhaus fotografierte. So war es wohl nur eine Frage der Zeit, dass der Schritt zum Theater folgte. 1952 engagierte sie der Generalintendant Max Burghardt als erste feste Fotografin an die Leipziger Theater. Bis dahin waren die gestellten Fotoproben von externen Fotografen erledigt worden.
Dieses „Theaterkombinat“ umfasste alle Sparten. Helga Wallmüller bekam es mit Schauspiel, Oper, Operette, Ballett, später dann auch mit Musical zu tun und konnte so eine große Vielfalt in ihrer Arbeit entwickeln. Außerdem hatte sie in diesem Umfeld auch die damals größten Theaterwerkstätten, Kostümschneiderei, Schuhmacher, Maskenbildner bei der Arbeit und die Bühnentechnik umfangreich und mit dem ihr eigenen künstlerischen Blick dokumentiert.
Schon in den 1950er-Jahren ging Helga Wallmüller dazu über, die bis dahin üblichen Standbilder durch Fotos, die sie live in den Proben machte, zu ersetzen. Das fand anfangs nicht bei allen Darstellern Zustimmung. Manche wollten sich nicht in realistischer Mimik oder gar von hinten abbilden lassen, aber Wallmüller machte Schluss mit den gestellten Posen und setzte sich schließlich durch.
Auch das zur Verfügung stehende Fotomaterial war eine Herausforderung, denn die höchste Filmempfindlichkeit lag bei 400 Iso bei Schwarzweiß- und 21 Iso bei Colorfilmen. Helga Wallmüller experimentierte deshalb mit speziellen Methoden, Filme empfindlicher zu machen. Dazu wurden Schwarzweißfilme vor den Fototerminen in Schraubgläser mit Quecksilber gelegt und nach der Belichtung in einer Langzeitentwicklung mit verdünntem Entwickler verarbeitet, um auch Kontraste auszugleichen. So hatte Helga Wallmüller gemeinsam mit Christa von Griegern aus der ORWO Filmfabrik Wolfen Colorfilme getestet und für DDR-Verhältnisse sehr gute Farbfotos gemacht. Die hochempfindlichen Filme gab es hier dann erst nach 1990. Wallmüller war eine Zauberin ihrer Zunft.
Ab Mitte der 1950er-Jahre wurde Helga Wallmüller Mitglied der Gruppe „action fotografie“ in Leipzig, der auch Evelyn Richter (1930-2021), Renate Rössing (1929-2005) u.a. angehörten und die unter Beobachtung der Staatsmacht stand. Ein Höhepunkt ihres Schaffens war 1961 die Verleihung des Titels „Artiste FIAP“ durch die Fédération Internationale de l'Art Photographique an sie. Mit über 40 Jahren begann Helga Wallmüller ein externes Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, das sie 1971 mit dem Diplom für Fotografie abschloss.
Helga Wallmüller hatte unendlich viele berühmte Künstler/-innen vor ihrer Kamera. Stellvertretend genannt seien Vaclav Neumann, Gisela May, Bruno Carstens, Rolf Hoppe, Christa Gottschalk, Anna Tomowa-Sintow, Sigrid Kehl, Ekkehard Wlaschiha und Kurt Masur. Als Einzige hielt sie das gesamte Leipziger Schaffen des Opernintendanten und -regisseurs Joachim Herz (1941-2008) in künstlerisch hochwertigen Fotos fest. Ihre Aufnahmen seiner legendären Inszenierung von Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ (1973-1976) sind als künstlerische, fast filmische Dokumentation heute das einzige Zeugnis seiner bahnbrechenden Sicht. Hervorgehoben sei hier z.B. das Foto vom Feuerzauber in der „Walküre“ mit seiner großartigen Bewegungsunschärfe des Balletts und einem in voller Schärfe davor stehenden Wotan.
1963 erschien ihr Bildband „Oper. Alltag und Glanz“. Auch in vielen anderen Publikationen sind ihre Fotos verewigt. Zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland zeigten ihr Schaffen. Ihre letzte große Ausstellung hatte Helga Wallmüller 2012 im Kamera- und Fotomuseum Leipzig: „Dornröschen und Mephisto. Höhepunkte der Leipziger Theaterfotografie aus 5 Jahrzehnten“.
Während meiner Fotografenausbildung an der Gutenbergschule 1986/87 war Helga Wallmüller meine Mentorin, die viel gab, aber auch viel forderte, was mir bei der Entwicklung meines eigenen Stils sehr half.
1992 verabschiedete sich Helga Wallmüller vom Theater. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie in einem Pflegeheim am Nordplatz, wo sie 95-jährig am 26. Juni 2021 verstarb.
Werke
- Oper. Alltag und Glanz. Ein Bildband von Helga Wallmüller mit Texten von Walter Bankel, Berlin 1963.
- Berthold Beiler und Heinz Föppel (Hrsg.): Erlebnis, Bild, Persönlichkeit: Fünf Fotografen, fünf Sichten. Evelyn Richter, Helga Wallmüller, Arno Fischer, Walter Danz, Eberhard Klöppel, Leipzig 1973.
- Oper Leipzig – Porträts und Szenen aus vier Jahrzehnten, Leipzig 1992.
- https://www.theaterderzeit.de/person/helga_wallm%C3%BCller/ Darin Publikationen von Wallmüller sowie Publikationen mit Beiträgen von ihr.
Ausstellungen im In- und Ausland:
- Gruppe action fotografie: Nur zwei Ausstellungen veranstaltete die Gruppe 1956 und 1957 in Leipzig, aber sie ist bis heute in der Literatur und Fotografiegeschichte der DDR präsent.
- Frühe Bilder. Eine Ausstellung zur Geschichte der Fotografie in der DDR, veranstaltet von der Gesellschaft für Fotografie im Kulturbund der DDR, Leipzig, 8.11.-15.12.1985.
- Schauspielerporträts von Helga Wallmüller, 1994 im Rathausfoyer Markkleeberg.
- 50 Jahre Schauspielhaus Leipzig, 2007.
- Wagner 2013. Künstlerpositionen, Akademie der Künste.
Dazu Ausstellungen in Belgien, Großbritannien, Italien, Ungarn, Indien und den USA. Personalausstellungen in Paris, Kiew, Brno und Sydney.
Adressen in Leipzig
- 1972-2004 Wintergartenstraße 2.
- 2004-2011 Uferstraße 18.
- 2011-2021 Azurit Seniorenzentrum Palais Balzac Roscherstraße 1.
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Von 1999 bis zu ihrem Tod 2021 war Helga Wallmüller Ehrenmitglied der Oper Leipzig.
- https://www.theaterderzeit.de/person/helga_wallmüller/
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Peter Guth: Szenenbilder. Die Theaterfotografin Helga Wallmüller, in: Leipziger Blätter 17, Leipzig 1990.
- http://www.fotomuseum.eu/index.php?rubrik=ausstellung_detail&ausid= 109
Autor: Andreas H. Birkigt, 2022